Schuldig bei Verdacht

Die Empörung über den Anschlag auf Alexej Nawalny schlägt in Regierungskreisen und den ihnen gewogenen Medien immer höhere Wellen. Nun hat die Kanzlerin in ihrer unendlichen Weisheit Herrn Putin mit dem Ausstieg aus Nord Stream 2 gedroht. Diplomatisches Porzellan wird zerschlagen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen. Doch was fehlt, sind stichhaltige Beweise. Allein das Untersuchungsergebnis eines Bundeswehrlabors, dass Nawalny mit einem Kampfstoff russischen Ursprungs vergiftet sein soll, liefert nun den Grund zu diesen unangemessenen diplomatischen Reaktionen. Der Kreml soll einen Kampfstoff eingesetzt haben, um einen Regierungskritiker zu beseitigen, der schon in einem anderen Fall nicht zum angestrebten Ziel geführt hat. Die Aktion ist bestens geeignet, Aufsehen zu erregen, was nicht in russischem Interesse liegen konnte. Und anschließend lässt man Nawalny ausreisen. Die Fragen, ob es nicht auch möglich wäre, das andere interessierte Kreise sich diesen Kampfstoff beschaffen könnten, und ob man den russischen Geheimdiensten nicht zutrauen könnte, das Problem Nawalny – wenn es denn überhaupt eines gegeben hat – unauffälliger zu lösen, mag sich jeder selbst beantworten. In einer aktuellen Stunde zum Fall Nawalny am 11.09. stellt der Abgeordnete Hampel im Bundestag die Frage, für wie bescheuert man die Russen eigentlich halte. Eine Frage, der ich mich anschließen möchte. Mein Verdacht: Frau Merkel nutzt die Gunst der Stunde, um den Amerikanern entgegen zu kommen, ohne den Eindruck zu vermitteln, dies würde auf Druck aus Washington geschehen.