Nur ein Traum

Auch ich erinnere mich noch, wie ich als kleiner Schüler in der Küche saß und mir versucht hatte, den Text der DDR-Nationalhymne zu merken. … Dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr gesungen wurde, liegt ganz sicher daran, dass der Traum vom „einig Vaterland“ nur ein Traum war. Bis ca. 1971. Dann wurde der Gedanke der deutschen Einheit von der SED begraben, vorher ohnehin nur noch mehr und mehr halbherzig postuliert. Auch der Begriff Deutschland selbst stand dem Willen entgegen, die DDR völlig von der Bundesrepublik und auch von der Vergangenheit loszulösen. Wir waren keine Deutschen mehr, sondern DDR-Bürger. Deutschland der Gegenwart war inzwischen Synonym für die Bundesrepublik, nie für die DDR. Es sollte ein eigenes Nationalbewusstsein anerzogen werden. In allen Lebensbereichen. Es war also nationalpolitisch bedingt.
Übrigens: Es gab nicht nur eine Textfassung der Hymne. So ist neben diversen Varianten bei der Entstehung der Hymne z.B. im Berliner Deutschen Historischen Museum ein eigenhändig signiertes Notenblatt von Hanns Eisler vom 07.11.1949 ausgestellt, auf dem es bei der 1. Strophe zwei Abweichungen gibt. Während es in der offiziellen Version „Laß uns Dir zum Guten dienen Deutschland einig Vaterland. / Alte Not gilt es zu zwingen und wir zwingen sie vereint“, steht auf diesem Blatt „Laß uns Dir zum Guten dienen Deutschland heilig Vaterland. / Alte Not gilt es zu zwingen und wir schlagen sie vereint“. Heilig und martialisches Schlagen? – das ging wohl gar nicht, vor allem Ersteres. Ob diese Abweichung auf Eisler oder Becher zurückging, ist jedoch unbekannt.