Fahren auf Sicht

Man kann sich nur wundern. In jeder Talkshow wurde verkündet, Einschränkungen wie in China seien bei uns undenkbar. Wir sind ja eine westliche Demokratie, China eine Diktatur. 3 Tage später zeigt das Virus, dass es kein Fan der parlamentarischen Demokratie ist und schon gibt es Ausgangsbeschränkungen in Deutschland. Die Bundeskanzlerin, die gestern noch das Volk ermahnt, muss selbst in Quarantäne. Ein sie behandelnder Arzt ist infiziert. Glückwunsch, das schafft großes Vertrauen in der Bevölkerung, wenn man an die Vernunft appelliert und selbst die einfachsten Vorkehrungen zum Schutz des Parlamentes missachtet. Merke: Das Bundeskanzleramt ist ein Teil dieser Welt und um es mal salopp zu formulieren: Die Natur braucht uns nicht! Sie schafft eigene Realitäten, auf die wir nur bedingt Einfluss haben, auch wenn wir uns gern für den Nabel der Welt halten. Vielleicht ist die Botschaft nun auch im Kanzleramt angekommen.
Dass es ganz anders geht, zeigt der Rostocker Bürgermeister Madsen. Ruhig aber bestimmt legt er dar, worauf es jetzt für jeden von uns ankommt. Spricht von der Sorge um gefährdete Bevölkerungsgruppen und lobt den Zusammenhalt der Zivilgesellschaft. Dann legt er die Maßnahmen des Bürgermeisters dar, wie die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit von Kliniken, Feuerwehr, Polizei etc. in Rostock gewährleistet wird. Das schafft Vertrauen, denn man erkennt, es gibt einen wohldurchdachten Plan.
30% der Stellen in den Gesundheitsämtern wurden in den letzten 15 Jahren eingespart. Das war der Plan der Bundesregierung, der sich jetzt rächt. Staunen kann man zudem, was plötzlich alles möglich ist. Grenzen, ja sogar die Grenzen von Bundesländern kann man plötzlich schützen. Die EU interessiert keinen mehr. Alle machen die Grenzen dicht. Mit fatalen Folgen, wie man an der polnischen Grenze sehen konnte. NATO-Manöver werden abgebrochen. Aber statt die Sanitätseinheiten Richtung Italien zu schicken, um medizinische Hilfe zu leisten, zieht man sich geordnet zurück. Russische Spezialeinheiten sind es, die in Italien Hilfe leisten. Ein Armutszeugnis für EU und NATO, die Italien allein lassen. Und ich denke, die Italiener werden nicht vergessen, wer ihnen Beistand leistete. Es ist wohl an der Zeit, über einige Dinge ernsthaft nachzudenken und endlich konsequent handeln. Diese Krise wird viele neue Wahrheiten mit sich bringen, auch dass man statt warmer Worte endlich etwas für eine angemessene Bezahlung im medizinischen Bereich tut.
Dank an alle Helden des Alltags und an alle Leser, bleiben Sie gesund!