„Entweder – oder“ – Plädoyer für die offene Gesellschaft

Vieles scheint heute unübersichtlich geworden zu sein. Bei all den verschiedenen Informationen zum russischen Angriffskrieg in der benachbarten Ukraine scheint manch einer die einfache Tatsache vergessen zu haben, wessen Truppen wo stehen und Gräuel verüben. Wer angreift und wer sich verteidigt – manch einer scheint selbst bei dieser offensichtlichen Klarheit die Übersicht zu verlieren. Ein anderes Beispiel: Allenthalben spricht man vom ‚heißen Herbst‘. Und man meint die zu erwartenden Demonstrationen auf unseren Straßen. Nun gehören derlei Meinungsäußerungen unzweifelhaft zu den demokratischen Grundrechten. Die Demokratie lebt vom fairen Streit und von der Suche nach einem Kompromiss. Was manch einer allerdings durcheinander zu bringen scheint, ist etwas sehr Einfaches: Die Kritik geschieht IN der offenen Gesellschaft, die diese ja erst ermöglicht. Sie kann und darf nicht AN der offenen Gesellschaft geschehen nach dem Motto: Wir werden alle manipuliert, die ‚offene Gesellschaft‘ mit freier Meinung, sozialer Marktwirtschaft und unabhängiger Justiz ist eine Fata Morgana. Wer nicht in der Demokratie kritisiert, um sie voran zu bringen, sondern, wer an der Demokratie kritisch ihre Existenz in Frage stellt, kündigt den gesellschaftlichen Konsens auf. Denn Verschwörungsmythen und ‚Geheimwissen‘ sind nicht diskutabel, zumal nach dem Selbstverständnis solcher ‚Ideologen‘ all jene, die dieses ‚Geheimwissen‘ weder haben noch teilen, selbst wieder Opfer und/oder Täter sind. Was kann in dieser Gemengelage weiterhelfen? Ich glaube, dass niemand sich folgender Alternative entziehen kann: Entweder habe ich ein grundsätzliches Vertrauen in demokratisch gewählte Institutionen oder ich bin ihnen gegenüber grundsätzlich misstrauisch. Ich hoffe sehr, dass diese Alternative bei allem, was zu kritisieren ist – auch im Herbst 2022 – immer bewusst bleibt.

Rudolf Hubert
Schwerin