Die letzte Generation der Zeitzeugen …

… des NS-Regimes. Das sind die heute 80- und 90-Jährigen, die als letzte Zeitzeugen noch Tatsachen aus eigenem Erleben wiedergeben können. Es ist die Zeit, wo man auch sagen muss, dass die Eltern der Vorgenannten nicht alle Anhänger Hitlers und des NS-Regimes waren. Viele hatten resigniert, als bei vielen Menschen, der brutale Terror gegen jeden Widerspruch bekannt wurde, den kannten die meisten. Meine Mutter wurde im Kaufmannsladen mehrmals »belehrt«, weil sie den »Deutschen Gruß« nicht entboten hatte. Ich als Siebenjähriger habe die Belehrungen mit erlebt, ich hatte Angst um meine Mutter. Mein Bruder war damals bereits in der Hitler-Jugend. Weil er nicht an einem »Geländespiel« teilnehmen wollte, erhielt er von einem Teil des Fähnleins »Keile«. Das heißt er wurde zusammengeschlagen, er hatte viele »Schrammen«. Meine Mutter wollte das bei der Gendarmerie anzeigen, eine andere Frau riet ihr davon ab. Mein Vater war seit Sommer 1939 bei der Wehrmacht, über Polen, später Frankreich, kam er 1941 an die Ostfront gegen die SU. 1943 kam er von dort in Urlaub, ich habe ihn kaum wiedererkannt. Am letzten Urlaubstag traf ich meine Eltern weinend an. Als mein Vater weg war, fragte ich meine Mutter: »Mama warum habt ihr geweint?« Meine Mutter sah mich mit großen Augen an, dann sagte sie wortwörtlich: »Papa sollte mit anderen Soldaten Russen erschießen, dass wollte er nicht.« Soweit bekannt, konnte man zu der Zeit diesen Befehl als Frontsoldat einmal verweigern. Diese Worte meiner Mutter werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Seit August 1944 ist mein Vater vermisst, er ist beim Suchdienst nirgends registriert. Hat er sich nochmal geweigert? Wurde er vielleicht von den eigenen Kameraden erschossen? Mit diesen Gedanken wurde meine Mutter bis zu ihrem Tod im Februar 1955 nicht fertig, sie wurde 50 Jahre alt, ich war zu der Zeit 19 Jahre. Insbesondere diese Zeit, die ich erwähnt habe, hat mein Leben bis heute geprägt. Viele »Zeitzeugen« sagen nicht die Wahrheit, wenn sie heute betonen, dass sie von all den Untaten nichts gewusst haben.