Der Historiker Ch. Wunnicke ist freundlicherweise erneut vor der Seniorenakademie 55 Plus Stralsund aufgetreten. Sein Thema „30 Jahre Deutsche Einheit“ widmete er besonders unserem Bundesland M/V. Folgende historischen Wegmarken stellte er in den Mittelpunkt: Mit der Länderneugründung am 03.10.90 war um 0 Uhr dieses Tages das gesamte DDR-System außer Kraft gesetzt. Am 14.10.90 fand die erste Landtagswahl mit dem Sieg der CDU statt. Im Frühjahr 1992 wird der NDR quasi auch für uns „Heimatsender“. Bis 1993 zogen aus M/V ca. 300.000 Einwohner in andere Bundesländer, was 1994 zur ersten Kreisgebietsreform führte. Im Dezember 1995 erfolgte in Stettin die Gründung der Euroregion Pomerania, die die Zusammenarbeit der europäischen Grenzregionen fördern soll. Aus der LT-Wahl 1998 ging erstmals in Deutschland unter Führung von H. Ringstorff eine rot-rote Regierungskoalition hervor. 1999 wurde leider das Transrapid-Projekt Berlin-Hamburg zu den Akten gelegt, dessen Trasse durch M/V führen sollte. 2002 wurden Stralsund und Wismar in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Der G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm kostete M/V zwar 76 Mio. Euro, aber dafür ging das Bild des Riesenstrandkorbs mit den Staatschefs rund um die Welt. Die BUGA 2009 in Schwerin wirkte sich für die Landeshauptstadt sehr positiv aus. Seit 2010 wird M/V mit Nord Stream 1, NS 2 und der Seidenstraße zum Schachbrett der Weltmächte. Inzwischen wurde M/V (zumindest im Sommer) zum Tourismusland Nr. 1, was auch die Filmbranche anzog, die bei uns viele Drehorte hat. Die demographische Entwicklung bereitet allerdings Sorgen. Seit 2013/14 sind zwar mehr Zu- als Wegzüge zu verzeichnen, jedoch kompensiert das leider nicht die Diskrepanz zwischen höherer Sterbe- als Geburtenrate, so dass letztlich unsere Bevölkerung schrumpft. Der Referent zog folgendes Fazit: Überwiegt die Freude über das Erreichte? Viele der erstrebten Ziele sind vom Geld abhängig, es gibt Arbeitslosigkeit und nicht gleiche Löhne wie in den Altbundesländern (deshalb ja auch die Landflucht vor allem der jüngeren Bevölkerung). Das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ bedeutete für viele Ostdeutsche das Aus. 30 Jahre nach der Einheit sollten Stasi-Überprüfungen überholt sein. Die Biographien vieler Menschen wurden gekippt, man redete über „Besiegte“. Alles „Westdeutsche“ wird, egal mit welchen Problemen behaftet, als „normal“ gesehen, alles „ Ostdeutsche“ wird hinterfragt und gilt als „unnormal“. Der „Heimatsender“ präsentiert nur die Westsicht, und dieser Prägung unterliegen auch die meisten Parteien. 30 Jahre Einheit, für viele sicher ein Erfolg, aber es wird weiter vieler Jahre bedürfen, um eine echte Einheit auch im Sinne gleicher Lebensverhältnisse herzustellen. Die 37 Anwesenden dankten Ch. Wunnicke für seine interessanten Ausführungen. Auf die Anmeldenotwendigkeit dienstags zwischen 10 und 12 Uhr unter der Nr. 207371 wird nochmals hingewiesen.
Wolfgang Mengel, Seniorenakademie 55 Plus Stralsund