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Das Miteinandersprechen (neu) lernen

Ob im Familien- oder Bekanntenkreis, bei Freunden oder Nachbarn – häufig erleben Menschen, dass Verschwörungsdenken, Wut und Hass unwidersprochen bleiben. Man möchte keinen Konflikt, nicht hier und jetzt. Oft sind Ängste mit im Spiel, lächerlich gemacht und als naiv und manipuliert ‚abgestempelt‘ zu werden. Die Frage bleibt: Wie gehe ich um mit jenen, die meinen, die „Wahrheit gepachtet zu haben“? Die sich oft des Beifalls Anderer sicher sein können in ihrer Umgebung. Patentrezepte gibt es nicht, zumal hinter allzu sicherem Auftreten oft eigene Unsicherheit und Überforderung stecken, die man gerne verdrängt. Wer das direkt anspricht, erlebt oftmals grobe Aggressionen, die nichts bringen. Hilfreich ist der öffnende Hinweis, dass man selbst nicht im Besitz allumfassender Erkenntnisse ist. Und es auch nie sein wird bzw. kann. Hilfreich ist zudem die ergänzende Frage, ob es nicht auch andere Aspekte gibt als die bisher erörterten. Aspekte, die vielleicht übersehen worden sind. Eben, weil die Welt komplex ist und es keine einfachen Lösungen gibt. Verbunden mit dem Eingeständnis, dass man selber Vieles nicht oder kaum versteht. Damit hat man eine gemeinsame Ebene – ich nenne sie die der erlebten Überforderung - hergestellt. Und dann sollte der Hinweis nicht fehlen, dass in einer offenen Gesellschaft auch für die beste Überzeugung Mehrheiten gefunden werden müssen, um sie umzusetzen. Ergänzt werden sollte diese Aussage durch einen weiteren Hinweis, dass gesellschaftliche Teilhabe und Mitwirkung in einer offenen Gesellschaft jeder und jedem möglich sind. Spannend ist die sich daran anschließende Frage, welche Erfahrungen hier bisher gesammelt wurden. Was in solch einem Gespräch nicht fehlen darf, ist das klare Bekenntnis zur offenen Gesellschaft, weil Geschichte und Gegenwart lehren, dass jede Diktatur verheerend war bzw. ist. Ebenso, dass Menschenrechte und Menschenwürde unteilbar sind und immer und überall für jeden Menschen gelten. Die Frage nach dem Fundament für diese Option ist darüber hinaus eine überaus spannende und sollte in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs nicht den letzten Platz einnehmen.

Rudolf Hubert, Schwerin, 07.02.2024

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