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AfD und der Atomirrsinn

Wer die AfD von der Kernkraft (der Begriff Atomkraft zeugt schon von Ahnungslosigkeit, denn es geht um die Bindungsenergie der Protonen im Atomkern) fabulieren hört und nur über etwas Wissen sowohl technologisch als auch ökonomisch verfügt, kann nur zu dem Schluss kommen, dass es mit der angeblichen Akademikerpartei nicht weit her ist. Wer einmal die Möglichkeit hatte ein Kernkraftwerk zu besuchen, dem fällt sofort auf, welche Sicherheitsbestimmungen, Bewachung, Sicherheitsmaßnahmen außen und innen geben muss – und das zeigt schonmal, welche Sicherheitsrisiken es gibt vom Flugzeugabsturz über Terrorismus bis hin zum Diebstahl radioaktiven Materials. Und all das kostet Geld, viel Geld. Wer wie ich als Strahlenschützer in Kernkraftwerken gearbeitet hat, der kennt noch viel besser die umfangreichen Schutzmaßnahmen im Betrieb, bei Revisionen und beim Rückbau – auch das kostet viel Geld; von Störfällen jeden Ausmaßes ganz abgesehen! Kernkraftwerke einfach weiterlaufen lassen – ja auch da sucht man Sachverstand bei der AfD vergebens. Alle drei zuletzt im Betrieb befindlichen KKW waren bereits am Ende ihre­r Lebensdauer angekommen. Neutronenfraß im Primärkreislauf und schwindende Wandstärke in den Wärmetauschern – reisebusgroße Ungetüme, die nicht ausgewechselt werden können – setzten dem Betrieb ein absehbares nahes Ende; ein Bruch dieser Leitungen wäre schon ein GAU. Nicht umsonst haben sich die Betreiber klar gegen ein »weiter so« ausgesprochen. All das ficht die ideologiegesteuerte AfD nicht an. Planung, Suche nach Standorten und Bau eines KKW würde nicht nur schätzungsweise über zehn Jahre dauern, der unvermeidliche Rückbau dauert mehr als doppelt so lange; nicht nur die Brennelemente, sondern auch Tonnen mittel- und hochradioaktivem Müll müssen behandelt und in Spezialbehältern gelagert und entsorgt werden – und bitte wo? Wer würde denn diese KKW bauen? Die guten Kontakte nach Putinstan lassen es vermuten – und wir wollen ganz bestimmt graphitmoderierte statt Leichtwasserreaktoren, oder? Wer sich mal das wehrpolitische Programm und die etwas verklausulierte Absicht einer Bewaffnung der Streitkräfte mit eigenen Kernwaffen anschaut, der könnte glatt auf den Gedanken kommen, wo denn das spaltbare Material dafür herkommen soll. Und woher will die AfD die Kernbrennstäbe für ihre Atomfantasien herbekommen? Sie werden es erraten! Gern behauptet die AfD, dass »die Welt über Deutschlands Ausstieg aus der Kernkraft lacht«. Es ist sehr einfach nachzuvollziehen, dass es neben Deutschland zehn weitere Länder gibt, die aussteigen oder es bereits sind, gegenüber nur sieben Ländern, die weiterbauen – zum Teil als Folge des russischen Kriegs gegen Europa. Kernkraft ist emissionsfrei? Irrtum! Nicht nur im Bau und Rückbau verschlingt ein KKW ein Vielfaches an Material und Energie eines konventionellen Kraftwerks, von den für Anlagen der Erneuerbaren Energien ganz abgesehen! Im Betrieb erzeugt ein KKW große Mengen von Abwärme, die die Flüsse aufheizen, als Wasserdampf in die Atmosphäre gehen und die Klimaerwärmung zusätzlich anheizen. Und was passiert, wenn die nach der AfD gar nicht existierende Klimaerwärmung die Flusspegel gefährlich sinken? Nicht nur die Schifffahrt ist davon massiv betroffen – nein, alle wassergekühlten Kraftwerke müssen herunter- oder sogar abfahren – gut, dass wir im Sommer Kernkraft-Frankreich mit Erneuerbarer Energie versorgen können! All das führt letztlich dazu, dass Strom aus Kernkraft der teuerste Strom überhaupt ist – er würde gut fünfmal soviel kosten wie der aus EE-Anlagen. Aber das erzählt uns die AfD natürlich nicht; es passt eben nicht in ihr ideologisches Weltbild.

Edgard Fuss, Selpin, 31.01.2024

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