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Silvesterkonzerte

Seit Jahrzehnten gibt es im Osten die schöne Tradition, Silvester im Fernsehen Beethovens Neunte zu erleben. Das ist insbesondere für die vielen Menschen wichtig, die aus den verschiedensten Gründen abgesehen vom Radio keinen Zugang zu klassischer Musik haben. Die Übertragung des Konzerts aus Leipzig übernahm nach der Wende der MDR in seinem Vorabendprogramm. Ausgerechnet zur gleichen Stunde sendete nun das mächtige ZDF ein hochkarätig besetztes Silvesterkonzert aus Dresden. Da diese zeitliche Übereinstimmung nicht zum ersten Mal passierte, kommen einige Fragen auf. Die Programmgestalter der öffentlich-rechtlichen Sender zeichnen sich ja trotz ihres Bildungsauftrags nicht gerade durch eine große Nähe zu etwas anspruchsvollen Sendungen aus. Man möchte wahrscheinlich die Zuschauer nicht intellektuell überfordern. Die ARD überlässt zum Beispiel die klassische Musik hauptsächlich dem NDR und dem Bayrischen Rundfunk, die diesen Auftrag verantwortungsbewusst wahrnehmen, indem sie zumeist sonntagmorgens zwischen 8 und 11 Uhr Ausschnitte aus Konzerten oder ähnliches senden. Man erwartet wohl, dass echte Musikfreunde einen solchen Kunstgenuss im Schlafgewand beim Frühstücksei zu würdigen wissen. Beim ZDF kann das nicht passieren. Konzertübertragungen muss man im Programmheft schon mit der Lupe suchen. Wie kommt man also darauf, ausgerechnet Silvester ein Konkurrenzkonzert ins Programm zu nehmen? Es wird doch sonst akribisch darauf geachtet, dass sich die an sich schon zu vielen Berufsschnacker mit ihren immer gleichen Talkshows nicht in die Quere kommen. Es ist höchste Zeit, dass die braven Gebührenzahler, die demnächst wieder mehr blechen sollen, endlich wenigstens ein gewisses Maß an Mitbestimmung erhalten.

Rainer Sabisch, Boizenburg, 09.01.2024

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