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Watt dem ein´ sin Uhl...

Dat hürt sick ja allens bannig fründlich un nett an, wenn man dat up platt hürn deit. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier um einen Rundumschlag handelt, bei dem alle ihr Fett wegkriegen: Die Klimaaktivisten, die Regierung, die Grünen sowieso,die Bundeswehr, die PETA-Aktivisten, alle, die sich gegen die Benachteiligung von Minderheiten aussprechen, die Veganer, die Ukraine – ja selbst die gute alte DDR war dann wohl auch nicht so gut, wie manche heute wieder glauben. Leider wird bei einem solchen Rundumschlag ziemlich stark vereinfacht, über einen Kamm geschert, und genau darum wird auch vieles einfach falsch. Ebenso werden über solche Allgemeinplätze immer wieder Wirklichkeiten dargestellt und transportiert, die es zwar sogar nicht gibt, aber wenn alle davon sprechen, wird es schon stimmen, z.B. der immer wieder einmal erwähnte und instrumentalisierte Russlandhass - Putin wird´s freuen. Ich habe den Eindruck, dass es Menschen gibt, für die die Wirklichkeit zu bunt ist, zu anspruchsvoll, zu anstrengend letztlich, weil sie immer wieder dazu herausfordert, zu entscheiden und zu unterscheiden, sich auseinanderzusetzen. Das ermüdet auf Dauer. Und weil die Wirklichkeit anstrengend ist, weil nicht von vornherein alles klar ist, was ich zu denken zu tun und zu lassen habe, habe ich die große Sorge, dass viele Menschen bereit sind, die Buntheit, die Freiheit und letztlich den Reichtum einer offenen demokratischen Gesellschaft zu opfern für ein System, in dem letztlich alles wieder ganz einfach und klar wird, weil es keine verschiedenen Sichtweisen gibt, sondern nur Schwarz oder Weiß, Richtig oder Falsch, einer Tristesse letztlich, die wir vor 35 Jahren nicht mehr ausgehalten haben. Es gibt übrigens ein schönes plattdeutsches Sprichwort, das eine größere Weite ermöglichen will, sowohl im Aushalten der Wirklichkeit an sich wie auch im Aushalten unterschiedlicher Sichtweisen: Watt dem ein´ sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall.

Wolfgang Hubert, Scheyern, 30.12.2023

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