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Die Brandmauer bröckelt!

Was eine Brandmauer ist, muss man wohl nicht erklären. Wenn dieser Begriff in der Politik verwendet wird, muss die Gefahrenlage schon recht hoch sein, sollte man meinen. Doch in Wirklichkeit geht es um die Abgrenzung der etablierten Parteien von der AfD. Der offensichtlich wachsende Einfluss der AfD soll verhindert werden, weil ihr unterstellt wird, sie wäre rechtsradikal. Nachdem Herr Maaßen durch den pflegeleichten Herrn Haldenschwang im Amt des BfV-Präsidenten ersetzt wurde, erfüllte dieser die in ihn gesetzten Erwartungen prompt und stufte die Partei als Verdachtsfall ein. Besonders im Fokus steht der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Bernd Höcke. Der neueste Vorwurf gegen ihn lautet: er habe in einer Rede die Formulierung „Alles für Deutschland!“ verwendet und dabei bewusst eine Parole der SA zitiert. Eine Unterstellung, die erst einmal nachgewiesen werden müsste. Irgendwelche rechtsradikalen Äußerungen, die den Verdacht erhärten könnten, sind in dieser Rede vom Mai 2021 offenbar nicht enthalten. Von dieser und ähnlicher Qualität sind die Vorwürfe gegen die AfD, die begründen sollen, dass eine Zusammenarbeit mit dieser Partei ausgeschlossen werden muss. Nun ist es allerdings im Thüringer Landtag zu einem weiteren Tabubruch gekommen. In einer Steuerangelegenheit hat sich die oppositionelle CDU mit Unterstützung der AfD gegen die Regierung von Bodo Ramelow durchgesetzt. Die Brandmauer bröckelt! Die politische Praxis hat gezeigt, dass wirksame Oppositionsarbeit ohne das Mitwirken der AfD eine Illusion ist. Wie sollte das auch gehen? Nur um das Phantom einer Brandmauer aufrecht zu erhalten, müsste die Opposition auf Vorschläge verzichten, die nur mit Unterstützung der AfD erfolgreich sind. Doch viele Wähler lassen sich nicht länger täuschen und sind offenbar bereit, diese Illusionisten in der Regierung abzuwählen. Das vergrößert das Problem einer politischen Brandmauer. Vor allem die CDU muss sich fragen lassen, wie sie sich verhält, wenn der nicht unwahrscheinliche Fall eintritt, dass in einigen ostdeutschen Ländern die AfD stärkste Partei wird und damit den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Wird die CDU dann weiterhin den Wählerwillen ignorieren? Herr Merz und Herr Linnemann werden sich hier entscheiden müssen.

Hartwig Wischendorf, Schwerin, 20.09.2023

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