Archiv
< Zurück zur ÜbersichtGrüne Wiesen ade
Für kurze Zeit durften wir Rostocker echte Wiesen erleben – grün, saftig, mit Wildblumen, in denen sich die noch verbliebenen Insekten und Vögel tummelten. Wahnsinn! Denn Umweltsenatorin Dr. Fischer-Gäde hatte im Juni doch tatsächlich all die richtigen Argumente gefunden, endlich das unsägliche Mähen und Trimmen der Grünflächen und den damit von Frühjahr bis Spätherbst verbundenen Dauerkrach einzustellen. Dies allerdings zu einem Zeitpunkt, als wir bereits in einer Steppenlandschaft lebten und jederzeit damit rechneten, auf der Wiese … ehm Steppe um die Ecke einer Herde Gnus zu begegnen. Doch die Freude saftiger Wiesen währte nur kurz. Eltern mussten schnell sein, ihren Kindern dieses einzigartige Naturschauspiel mitten in Rostock zu zeigen. Denn kaum hat es ein paar Mal geregnet und die Grünflächen haben sich erholt, da besteigen die von der Stadt angeheuerten „Landschaftsgärtner“ das deutsche Statussymbol schlechthin, den Rasentraktor, und malträtieren diese bis zur Krume, während der Schnitt durch die Viertel weht. Man sieht ja auch cool aus, da oben auf dem Bock. Offenbar gelten die Argumente – Nahrungsräume für Insekten und Vögel, Bodenerosion und Abkühlungseffekte – jetzt nicht mehr. Zumindest solange nicht, bis Rostock wieder zur Steppe wird und die Einwohner unter der Hitze ächzen. Bis dahin schließen wir also wieder die Fenster und stecken uns Stöpsel in die Ohren, um der fast täglichen Lärm- und Geruchsbelästigung sowie Luftverschmutzung durch Mäher, Trimmer und der noch sinnloseren Gebläse wenigstens teilweise zu entgehen. Gleichzeitig navigieren wir auf Bürgersteigen um die zahlreichen, teils mannshohen Krautbüschel und ducken uns auf Geh- und Radwegen vor überwachsenden Büschen und herabhängenden Ästen, weil für deren Pflege ja keine Zeit bleibt. Wer bitte soll den Beteuerungen noch Glauben schenken, dass man die Stadt umwelt-, klima- und lebensfreundlicher gestalten will? Wenn man doch nicht einmal imstande ist, die Situation durch Unterlassung zu verbessern. Unterlassung kostet nämlich auch kein Geld. Im Gegenteil, es spart unsere Steuern und eröffnet Möglichkeiten, diese für etwas wirklich Sinnvolles auszugeben. Wenn nicht einmal diese kleinen Dinge möglich sind, wie will man dann die großen Herausforderungen meistern?
Sabine S., Rostock, 24.08.2023