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Warum erst jetzt?

Zum Beitrag »Mahd gestoppt« im Rostocker Blitz vom 18. Juni: Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Mitteilung über den endlichen Stop der jahrzehntelangen unsäglichen Absäbelei der Rasenflächen in der Stadt las – auch noch in einer erfreulichen Ausführlichkeit, in der so gut wie kein Fakt fehlte. Woher erst jetzt die Einsicht, die zweiwöchentliche Mahd der Grünflächen endlich sein zu lassen? Seit Jahren regt es nicht nur mich auf, wenn die Gartenarbeiter jeden Grashalm, der nur ein paar Zentimeter zu wachsen wagt, schon wieder abraspeln. Wie die abgeraspelten, gelben Flächen immer aussehen! Von Rasen ist da keine Rede und von Naturerhalt inclusive Schutz der darin lebenden Insekten und anderen Lebewesen schon gar nicht. Entsprechend tot sind die Flächen schon ab Juni. Neben der Vernichtung der Insekten – Bienen, Hummeln usw., Regenwürmer, Kleinsäuger, Vögel und Bodenlebewesen – wird uns jedes Jahr monatelang der ekelhafte Anblick der verdorrten Grasreste und der nackten Erde zugemutet. Schmetterlinge, was ist das ...? Zwei Mal habe ich in den letzten Jahren die Gartenarbeiter gefragt, ob sie diese ständige Naturvernichtung nicht unterlassen könnten. Die Antwort war immer, dass sie das auch nicht wollen und ich wäre nicht die einzige, die sich darüber aufregt. Auftraggeber sei die Stadt, sie müssten halt ihren Job machen. Woher so plötzlich das Wissen und scheinbare Verantwortungsbewusstsein der Amtsinhaber? Wer hat die endlich zur Vernunft gebracht? Hat sie jemand darauf aufmerksam gemacht, dass die Grünflächen, denen sie als Stadt mit ihrem Mähterror nicht zu Leibe rücken können, trotz der Trockenheit ihr frisches Grün behalten haben und sogar blühen? Dem globalen trockenen Klima können allerdings auch diese Flächen nicht ewig trotzen. Aber sogar die ständig beschnittenen Flächen können seit der Beendigung des Mähterrors eine blühende Flora ans Tageslicht bringen. Der schöne Anblick einer kleinen blühenden Wiese vor unserem Haus war an seinem zweiten Tag allerdings schon wieder Geschichte. Man säbelte fleißig wieder alles ab! Mähstop? Aus Angst vor dem Klimawandel besinnen sich die »Volksvertreter«/Amtsinhaber jetzt also auf ihre Verantwortung und Pflicht, unsere Natur zu erhalten. Ganz wichtig sind ihnen an erster Stelle nicht das Leben und das Wohlergehen der Tiere und die Schönheit blühender Flächen, nein, der Abkühlungs­aspekt, Staubbindung, Mikroklima in der Stadt und die Reduzierung der Brandgefahr müssen gesichert sein – richtig. Aber die Tiere haben in der gleichen Wichtigkeit auch ihr Recht auf ihr GUTES Leben. Die Folgen der Missachtung der Natur und der drohende globale Kollaps führen jetzt endlich, aber wohl nicht überall, zur Beendigung des Mähterrors, was zu einer neu entstehenden Biodiversität bei Flora und Fauna führen könnte, wenn das so bliebe, und Regen, am wichtigsten für die Tiere, käme. Aber das sieht das Klima nicht vor. Dieses Szenario führt bei den Amtsinhabern hoffentlich zur nötigen und bleibenden Achtung der Natur und den Tieren, letztlich vor den Bürgern der Stadt. Davon ist allerdings kaum auszugehen, denn ihr nächstes Vernichtungsprojekt haben sie schon lange in Angriff genommen: die komplette Vernichtung eines größeren Biotops am Groten Pohl gegen den jahrelangen Protest der betroffenen Bürger. Den Rosengarten, den man getrost als Wahrzeichen von Rostock bezeichnen konnte, haben sie schon vernichtet ... DAS ist Verantwortungswahrnahme, das ist »Demokratie«!

Anonym., Rostock (Name dem Verlag bekannt), 03.07.2023

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