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Klimawandel hin oder her

Es ist zutiefst menschlich, den anstehenden Klimawandel zu leugnen oder zu verharmlosen, sei er nun menschengemacht oder nicht. Zu abstrakt scheinen die Zeiträume, zu wenig greifbar sind die persönlichen Auswirkungen. Kohlendioxid kann man nicht anfassen, man kann es nicht riechen. Und ob draußen am Gartenthermometer nun 20 Grad Celsius angezeigt werden oder 24 Grad. Was macht das schon? Und die Welt ist so groß, was kann da der Einzelne schon ausrichten? Ich kann solche Denkweisen verstehen. Und nun kommt das große „Aber“ - es hat noch nie etwas geholfen, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn die Fakten sind eindeutig. Der CO2-Anteil der Atmosphäre in der heutigen Zeit ist größer als im Zeitalter des Pliozäns, vor also 3 bis 5 Millionen Jahren. Wir werden also logisch folglich sehr bald (noch in diesem Jahrhundert) das damals herrschenden Klima erleben – der Backofen ist eingeschaltet und heizt sich unaufhaltbar auf. Eiskappen an den Polen gab es damals nicht, der Meerespiegel lag 20 bis 25 Meter höher als heute, die Temperatur im Mittel 3 bis 4 Grad Celsius über dem heutigen Niveau. Gerade die Höhe des Meeresspiegels sollte uns Küstenbewohnern aber schon einmal zu denken geben. Man stelle sich bei seinem Strandspaziergang nur vor, ca. 10 weitere Menschen stünden über einem und hätten den Kopf knapp über Wasser. Das Gebäude des Hotel Neptun stünde zu einem Drittel unter Wasser. Weltweit leben 60% der Weltbevölkerung innerhalb von 60 km von der Küste entfernt, knapp eine Milliarde Menschen auf Höhe des heutigen Meeresspiegels. Wenn nur ein Bruchteil dieser Menschen nach Europa strömt, dann wird das weitere fast unlösbare Probleme mit sich bringen. Diese Zahlen und Bilder sollten greifbar sein und dazu anhalten, alles dafür zu tun, den CO2-Anteil in der Atmosphäre und die schädlichen Auswirkungen zu begrenzen. Und wer jetzt sagt, die Menschheit wird sich schon wie immer während seiner Geschichte anpassen, der möge bedenken, dass sich der frühe Mensch erst zum Ende des sich wieder abkühlenden Pliozäns entwickelt hat. Ende diesen Jahrhunderts wird der Höhepunkt der Anzahl der Menschen auf dem Planeten erreicht sein. Unter welchen Bedingungen unsere Kinder und Enkel dann leben können, entscheiden wir bereits heute. Die bevölkerungsreichsten Länder Indien und China gehen im Übrigen bereits mit gutem Beispiel voran und übertreffen aufgrund zunehmender Beschleunigung im Ausbau erneuerbarer Energien ihre ohnehin ehrgeizigen Klimaziele. Ergo fällt das Argument weg, dass wir in Deutschland und Europa alleine nichts bewegen könnten. Wir müssen heute anfangen, den CO2-Ausstoss zu senken und nicht erst morgen. Wir müssen unser Verhalten ändern. Je früher wir beginnen, desto leichter wird es uns fallen und die Kosten begrenzen.

Thomas S., Rostock, 31.05.2023

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