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Ein Blick in die Geschichte: Juden und Muslime

Ich bin keine Realitätsverweigerin und sehe die schlimmen Entwicklungen in Europa bezüglich der Sicherheit der jüdischen Bevölkerung vor allem in Frankreich, Belgien und Deutschland sehr genau. Ich möchte aber in eine Zeit, 1492, und in ein Land, Spanien, blicken, was zeigt, dass Juden und Muslime durchaus harmonisch miteinander lebten. Es waren die Christen, die dieses friedliche Miteinander zerstörten. Durch das sogenannte Alhambra-Edikt der beiden katholischen Könige, König Ferdinand und Königin Isabella, wurden alle spanischen Juden, die Sepharden, in einem einzigen Jahr, 1492, aus Spanien vertrieben. Wer blieb, wurde durch eine eigens eingerichtete Inquisition ermordet. Es gab zwei große Auswanderungswellen. Die eine Welle ging nach Südfrankreich, wo es jedoch bald wieder zu mörderischen Übergriffen der Christen auf die Juden kam und die Sepharden in den Norden Frankreichs flohen oder Frankreich als Transitland verließen und weiterzogen. Sind die Sepharden auch in MV ansässig geworden? Die zweite große Welle ging in den orientalischen Raum. Es waren die Muslime, die den aus Spanien vertriebenen Juden Schutz boten. Wenn es auch über 500 Jahre her ist, man sollte es nicht vergessen. Wer sich für dieses interessante Kapitel jüdischer Geschichte interessiert, dem empfehle ich die Diplomarbeit von Esther Sahra Rosenkranz, die sie freundlicherweise ins Internet gestellt hat: "Die soziolinguistische Entwicklung des Sephardischen in der Diaspora - unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in Israel", Magistra der Philosophie, Wien 2010. Erst im Jahr 2014, also über 500 Jahre später (!), dann die Entschuldigung aus Spanien und die offizielle Rücknahme des Alhambra-Ediktes. Als Wiedergutmachung und Entschuldigung können die Nachfahren der Sepharden heute die spanische Nationalität auf Antrag wiederbekommen. Éric Zemmour, mit sephardischen Wurzeln, war bei der letzten französischen Präsidentschaftswahl neben Emanuel Macron und Marine Le Pen lange Zeit ein erfolgreicher Präsidentschaftskandidat. Beachtenswert ist auch das interkulturelle Projekt "Abrahamic Family House" in den Vereinigten Arabischen Emiraten, welches am 1. März 2023 in Abu Dhabi eröffnet wurde. Eine Moschee, eine Synagoge und eine Kirche sollen das friedliche Zusammenleben von Muslimen, Juden und Christen einleiten. Ein Signal des Friedens und der Toleranz im gegenseitigen Respekt oder doch nur eine Utopie?

Marion Sönnichsen, Schwerin, 02.05.2023

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