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Schmähungen und Schmähbegriffe

Antwort auf den Leserbrief "Friedensfreunde" vom 06.04.2023

Sehr geehrte Frau Hensel-Staemmler, so sehr das Anliegen und ihr Engagement in Bezug auf Ihren Leserbrief "Friedensfreunde" auch wichtig ist, es weist aber einen Widerspruch auf. Wie kann man als "Friedensfreund" im gleichen Atemzug einzelne oder ganze Gruppen von Menschen ausschließen? Der Begriff "Querdenker" ist historisch betrachtet eigentlich immer positiv assoziiert gewesen. Umdefiniert wurde diese positive Deutung erst vor Kurzem im Zuge der Corona-Politik, um Kritiker zu diffamieren, wobei vor niemandem Halt gemacht wurde, ob es sich um renommierte Wissenschaftler, Künstler oder unbescholtene Bürger handelte. Gleiches Strickmuster in der politischen Geschichte findet sich auch immer wieder bezüglich demokratischer Parteien, vor allem dann, wenn sie zur ernsthaften Konkurrenz für andere Parteien werden. Diese Erfahrung machte in früheren Zeiten die SPD. Als meine Ur-Oma als junge Frau in die SPD eintrat, durften ihre Kinder nichts erzählen, sonst hätte die Familie Repressalien erfahren. In den Anfangsjahren der jungen Partei "Die Grünen" hat sich der damalige hessische Ministerpräsident Börner dahingehend geäußert, man solle die Grünen doch mit der Dachlatte erschlagen. Er war übrigens der erste, der mit den von ihm im Geiste erschlagenen Grünen in Hessen eine Koalition einging. DIE LINKE, als diese als Neuling in den Deutschen Bundestag einzog, wurde von der SPD, so wörtlich, als "Die wahre Blüte aus dem rechten Sumpf" bezeichnet (Bundeskanzler Gerhard Schröder) und von den Grünen (Außenminister Joschka Fischer) als "populistischer Narrenzug am Hofe". Durch Schmähungen soll die Konkurrenz und Opposition offensichtlich klein gehalten werden. Auch in Demokratien ein immer wiederkehrendes Verhaltensmuster, leider. Mich würde es überhaupt nicht wundern, wenn selbst die 14 "Friedensfreunde" aus dem Ostseebad Nienhagen in den Topf "Querdenker" hineingeworfen werden, denn sie kritisieren ja die aktuelle Regierungspolitik und nehmen ihr Grundrecht auf Demonstration wahr, was einen ja heutzutage schon verdächtig macht. Als Querdenker im ursprünglichen Sinne gelten beispielsweise Jesuah ben Josef, genannt Jesus, Martin Luther, Sokrates, Marie Curie, Clara Zetkin und viele andere bedeutende Persönlichkeiten. Sehr gefreut hat es mich, dass der Begriff "Querdenker" im ursprünglich positiven Sinne im Intro der TV-Krimi-Serie "Soko-Wismar" erscheint. Die Titelmelodie ist getextet und gesungen von Udo Lindenberg mit der Textzeile: "Und ist der Fall auch noch so schwer, wir bleiben cool und denken quer..."

Marion Sönnichsen, Schwerin, 23.04.2023

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