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Humanismus nur in Ausnahmesituationen?

Das Erdbeben in der Südtürkei und Nordsyrien hat über die in dieser Region lebenden Menschen unsägliches Leid gebracht, tausende von Toten und zig-tausende Verletzte. Das sind Naturgewalten, gegen die wir als Menschen grundsätzlich hilflos sind, sie lassen sich durch uns nicht verhindern. Gegen tektonische Verschiebungen können wir nichts tun, unser Planet ist trotz seines stattlichen Alters kein toter Himmelskörper. Die damit in Zusammenhang stehende Frage lautet: Finden die Menschen unterschiedlichster Nationen, Konfessionen und gesellschaftlicher Systeme erst bei Naturkatastrophen zusammen? Über 60.000 Helfer aus ca. 36 verschiedenen Ländern eilten, um zu helfen. Und da fragt keiner, woher der andere kommt. Das ist eine wunderbare Symbolik: Wir sind füreinander da, lassen niemanden im Stich. Umso mehr entsetzt es, dass die türkische Armee selbst in dieser Situation Kurden in Nordsyrien beschießen lässt bzw. westliche Staaten (vor allem die USA) Hilfslieferungen verzögern oder behindern, weil die Bedürftigen in Assads Machtbereich ansässig sind. Es ist doch ein absoluter Widersinn, in diesem konkreten Fall bis zur totalen Erschöpfung und hohem eigenen Risiko Leben zu retten, egal, wen es betrifft, und gleichzeitig geht der mörderische Alltag weiter, in dem wir uns nach wie vor gegenseitig umbringen? Wie viele Kriege und andere Auseinandersetzungen werden geführt, nur um den Egoismus bestimmter Eliten zu befriedigen? Lebt Humanismus nur bei der Beseitigung der Folgen schlimmer Naturkatastrophen? Das ganze Geld, was weltweit in die Rüstungen gesteckt wird, sollte u.a. dazu dienen, organisatorische, technische und bauliche Maßnahmen zu ergreifen, damit sich solche nicht zu vermeidenden Erdaktivitäten weniger grauenvoll auf die Menschen auswirken. Das wäre für alle eine große Hilfe und würde objektive Gefahren zumindest in ihren Auswirkungen etwas mindern.

Wolfgang Mengel, Stralsund, 14.02.2023

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