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Warum die Ukraine unsere Unterstützung erhält

Ich verstehe die Sorgen von Menschen unseres Landes um die Folgen unserer auch militärischen Unterstützung der Ukraine. Da wird dann schnell vom Büttel des Westens gesprochen, der wir jetzt seien. Dabei sind wir gerade hier im Osten Deutschlands vier Jahrzehnte lang der Büttel des Ostens gewesen. Zumindest habe ich diesen Aspekt des Lebens neben vielen positiven Erinnerungen an mein Leben in der DDR nicht vergessen. Putins Russland hat am 24. Februar 2022 mit Militär gewaltsam die Grenze zur Ukraine überschritten. Das ist Krieg, einseitig von Russland begonnen - Punkt aus. Ich erkenne darin die logische Folge einer Entwicklung in Russland nach 1989, die vergleichbar erscheint zur Entwicklung Deutschlands nach dem 1. Weltkrieg. Ein geschlagenes Land nach dem Niedergang des "Kommunismus", das Sowjetreich gestutzt auf Kernrussland, wirtschaftlich am Ende und politisch instabil beim Versuch, demokratische Strukturen aufzubauen. Stabil blieben nach dem Kommunismusniedergang die personellen Strukturen in Militär und Geheimdiensten, die heute das Leben in Russland sowohl wirtschaftlich als auch politisch bestimmen. Solcherart Eliten haben auch in Deutschland nach 1918 auf Korrekturen gedrängt und einen Hitler mit großdeutscher Gefolgschaft ermöglicht. Und ähnlich wie heute über die Fehler unserer (westlichen) Demokratien im Umgang mit Russland debattiert wird, gibt es kritische Sichtweisen auf die Alliierten zum Umgang mit Deutschland vor 100 Jahren mit und nach Versailles. Wie ein Staat sich nach innen entwickelt, ist Sache der eigenen Bevölkerung. Das war in Deutschland nach 1918 so, das gilt auch für Russland. Im heutigen Russland sind die demokratischen Strukturen eingedampft. Faktisch gibt es ein 1-Parteien-System mit "Einiges Russland", jegliche Opposition ist im Exil oder im Gulag, Demonstrationsrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind nicht mehr vorhanden. Wenn die Russinnen und Russen damit glücklich sind - bitte schön. Russland ist jedoch jetzt dabei, Grenzen zu revidieren. So wie es Deutschland ab 1938 mit Österreich, dem Sudetenland und dann der Rest-ČSR begann. Die weitere damalige Entwicklung sollte bekannt sein... Russland hat 1991 die Souveränität der Ukraine uneingeschränkt anerkannt und unter anderem die Nuklearwaffen der Ukraine vollständig erhalten. Die auch von Russland damit gegebene Garantie für die territoriale Integrität von Krim, Luhansk, Donezk als Bestandteil der Ukraine wird seit 2014 durch Russland brutal verletzt. 1938 haben die westlichen Demokratien auch aus pazifistischen Grundstimmungen der Bevölkerungen und Angst vor einer konfrontativen Auseinandersetzung mit Deutschland auf Beschwichtigung gesetzt und damit die Zeit für einen rechtzeitigen Aggressionsstopp verpasst. Von daher habe ich große Achtung vor der Politik der heutigen Bundesregierung und insbesondere dem besonnenen Handeln von Bundeskanzler Scholz, wenn es um die Positionierung Deutschlands in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine zur Abwehr der russischen Aggression geht. Manch ein Leser wird mich jetzt Systembüttel nennen, das ist dann Meinungsfreiheit. Denjenigen kann ich nur noch ein letztes Argument mit auf den Weg geben: Als junger Pionier habe ich vor 50 Jahren die Bombardements der USA auf zivile Ziele wie auch den ganzen Krieg in Vietnam verurteilt. Genauso wenig wie die USA was in Vietnam zu suchen hatten, gilt das auch für die Russen in der Ukraine. Und die Russen bombardieren seit Monaten massiv die zivile Infrastruktur der Ukraine, um die Bevölkerung von Wasser, Strom und Gas zu "befreien"...

Andreas Hofmann, Papendorf, 31.01.2023

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