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Keine Sanktionen, keine Waffen!?

Antwort auf den Leserbrief "Weg mit den Sanktionen" vom 02.08.2022

Weg mit den Sanktionen, keine Waffenlieferungen mehr!? Wie gerne würde auch ich das unterscheiben: Keine Sanktionen, keine Waffen! Wer tritt nicht ein für den Frieden, besonders angesichts von Endzeit-Szenarien aufgrund unvorstellbarer atomarer Bedrohung und (möglichen) unvorhersehbaren Komplikationen?! Und doch kann ich bei alldem auch nicht einfach sagen in Richtung Ukraine oder sonst wo auf der Welt, wo Gräuel verübt werden: „Wehrt Euch nicht, greift nicht zu den Waffen.“ Wer bin ich denn – ich, der jetzt in Freiheit lebt und diese sehr schätzt – dass ich so etwas sagen oder gar fordern dürfte?! Und gleichzeitig weiß ich, dass Frieden und Freiheit niemals eine ‚Erfolgsbilanz‘ der Waffentechnik sind. Was ist zu tun in einer Welt, in der sich politische Extreme an ihren Rändern zum Verwechseln ähnlich sind? Extrem Links: Das Kapital setzt sich rigoros durch, um jeden Preis, koste es, was es wolle. Extrem Rechts: Das Kapital setzt sich rigoros durch, um jeden Preis, koste es, was es wolle. Und wir wissen, wer die Handlanger sind, die sich dessen bedienen. Der latente und offene Antisemitismus und Antijudaismus sind kaum zu übersehen und zu überhören. Für die einen ist es wie ein Algorithmus, da ist der Faktor Mensch beliebig austauschbar. Die anderen sehen es genauso, nur mit dem Unterschied, dass sie meinen, dass die (unbewussten) Algorithmen bewusst eingesetzt werden von finsteren, von ‚dunklen Mächten‘. Wie sehr wünschte ich mir eine etwas vorsichtigere, vielleicht auch ehrlichere Argumentation bei manchen Meinungsäußerungen. Ich stelle nur Fragen: Haben wir uns nicht alle wohlgefühlt und eingerichtet in den letzten Jahren und Jahrzehnten? Wären Politiker nicht spätestens per Wahlzettel abgestraft worden, wenn sie von erforderlichen Opfern gesprochen hätten im Jahr 2014 angesichts des aggressiven Verhaltens eines autoritären Despoten? Hätten wir wirklich mehrheitlich die Einsicht gehabt, freiwillig Energiekosten zu erhöhen und uns abzuwenden vom billigen russischen Gas? Sind wir nicht vielfach in der Versuchung, für alles einen sprichwörtlichen ‚Sündenbock‘ zu suchen – und i.d.R. auch zu finden? Was ist mit den so viel beklagten Ausfällen bei den so genannten ‚Lieferketten‘ in Folge der Corona-Pandemie - hängen sie nicht in erster Linie damit zusammen, dass viele Produktionsstätten ausgelagert worden sind, weil es Länder gibt, in denen viel weniger aufgewendet wird für Personalkosten und Personalnebenkosten als bei uns? Und haben wir nicht beinahe alle von diesem ‚systemischen‘ Verhalten durchaus gern profitiert, indem wir uns in einem Lebensstandard eingerichtet haben, der erkennbar nicht nur global Ungerechtigkeit erzeugt, sondern auch die vorhandenen Ressourcen permanent so ausbeutet, dass die Schäden für die Umwelt und die nachfolgenden Generationen mit Händen zu greifen sind? Vielleicht ist bei all diesen Diskussionen die Frage nach dem Eigenanteil die wichtigste und gleichzeitig auch die schwierigste.

Rudolf Hubert, Schwerin, 02.08.2022

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