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Leben im totalen Krieg

Ich bin Nochkriegsjahrgang 1944 und erlebe jetzt den Krieg 78-jährig wieder und das bereits über das gesamte Leben: ich komme aus einer Kleinstadt – Ellwangen/Jagst – wo die NSDAP nie Fuss fasste und stattdessen die Katholische Kirche dominierte. Bis in die 80er waren Akten über das Schicksal von sechs Priestern, die auch die Auslieferung von Waisenkindern verhinderten unklar. Erst seit den 80ern existieren Wissenschaftliche Arbeiten zum Widerstand dort. Zudem desertierte mein Vater – Jahrgang 1901 – nach wenigen Tagen an der Ostfront zu der Ukrainischen Auftstandsarmee und war so bereits acht Tage vor Kriegsende zurück. Aktenkundllich war er bereits wieder am 2. Juni 1945 wieder im Dienst als Geometer – eingesetzt von den Amis und dies obwohl er zuvor entbeamtet wurde. Mein Vater trat aus der Evangelischen Kirche aus, da diese zu den Anhängern des Reichsbischofs Müller gehörten. Er hat bis zu seinem Tod nie wieder gewählt. Ich habe als Kleinkind jeden Tag eine Kontrolle durch/seitens der MP erlebt und stets die Frage wie es geht – verbunden mit einem kleinen Geschenk – Kaugummi oder Bonbons. Als anerkannter Kriegsdienstverweigerer musste ich erleben wie man im Bayerischen Neuburg an der Donau meine Verweigerung einfach ignorierte und in den Papierkorb warf . Wenn man Krieg – wie ich – so als Opfer erleben muss, hat man auch eine sehr bewusste Ahnung davon, was Terror, Mord und Zerstörung durch Putin konkret bedeuten. Ich will hier enden und dies obwohl ich in der Erinnerung stets im Zusammenhang mit Putins Terror daran denken muss!

Herbert Häußer, Crivitz, Ortsteil Wessin , 02.06.2022

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