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Darf man Dankbarkeit einfordern?

Antwort auf den Leserbrief "Darf es ein wenig Dankbarkeit sein?" vom 29.03.2022

Zwar kann ich nachvollziehen, was Frau Helms aus Warnemünde meint, aber die Perspektive der Ukrainer ist die des Mutes der Verzweifelten. Selenskyi wird nicht müde, nicht nur uns gegenüber jede erdenkliche Hilfestellung zu fordern. Er bettelt nicht. Ja, er bittet, er fordert. Mit dem Recht der Verzweifelten. Wenn man bedenkt, in welcher Lage er selbst und das Volk seines Landes sich befinden, was wir (gottlob immer noch) nur aus der Ferne sehen, dann kann ich ihn verstehen. Und auch wenn Botschafter Melnyk zuweilen unbequeme Aussagen trifft, so kann man sie aus ukrainischer Perspektive nachvollziehen. Ich persönlich halte es für einen Widerspruch, wenn einerseits freiwillig geholfen wird, was nicht nur eine Frage des Wollens oder Nichtwollens, sondern der dringenden Notwendigkeit und der Menschlichkeit ist, und andererseits dafür Dankbarkeit eingefordert wird, was in diesem Falle bezüglich Selenskyi oder Melnyk im Grunde nichts anderes bedeuten soll, dass beide schweigen mögen. Man habe dankbar zu sein und nicht zu kritisieren oder gar Forderungen zu stellen. Und genau das verbietet jeder Anstand und würde jede bedingungslose Hilfe unglaubwürdig machen. Ein wenig mehr Demut täte uns gut.

Haiko Hoffmann, Schwerin, 29.03.2022

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