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Ein Interview mit Folgen

Die neue Justizministerin hat der SVZ kürzlich ein Interview gegeben. Dabei hat sie, entgegen allen Regeln der Journalistik, im Zuge der sogenannten Autorisierung getroffene Aussagen inhaltlich abgeändert oder zurückgenommen, weil sie befürchten musste, dass ihre Antworten in der Öffentlichkeit nicht so gut ankommen würden. Als 1998 Harald Ringstorf sein Kabinett zusammenstellte, ergab sich beim Postenschacher ein Problem, weil der PDS drei Ministerien zugestanden wurden. Aus den ehemals acht Ministerien waren nun plötzlich neun geworden und Ringstorf selbst übernahm zunächst das Justizministerium, weil er davor zurückschreckte, der PDS diese Funktion zu übertragen. Im Justizministerium war das Amt für Rehabilitierung angesiedelt, dass mit der Aufarbeitung des SED-Unrechts befasst war. Hätte dieses Ressort die PDS innegehabt, wäre es zu der grotesken Situation gekommen, dass der Chef einer Behörde der Partei angehört, gegen die in seinem Verantwortungsbereich ermittelt wird. Ringstorf war sich seinerzeit dieser Problematik bewusst, Frau Schwesig offenbar nicht. Klare Aussagen zu den Begriffen „Diktatur“, „Gewaltenteilung“ und „Unrechtsstaat DDR“ wurden von der Ministerin durch nachträgliche Änderungen vermieden. Was hatte man eigentlich erwartet? Die Linke ist im Kern eine marxistisch-leninistische Partei. Ein Godesberger Programm, wie bei der SPD, hat es bei der Linken nie gegeben. Frau Bernhardt war so unvorsichtig, die Maske fallen zu lassen. Nun zeigt sich, worauf Frau Schwesig sich da eingelassen hat. Selbst wenn ein anderer Vertreter der Linken den Posten übernehmen sollte, hätte sich damit an der eigentlichen Problematik nichts geändert. War Frau Schwesig wirklich so naiv oder einfach nur ignorant?

Hartwig Wischendorf, Schwerin, 25.12.2021

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