Leserbriefe lesen

Wie spreche ich einen fremden Menschen an?

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BLITZ, seit Jahr und Tag lese ich Ihre Zeitung, die ich mir extra vom Liefertag Sonnabend auf den Sonntag aufhebe, um auch dann noch eine Zeitung beim Frühstück lesen zu können. Neben den redaktionellen Beiträgen lese ich auch die Anzeigen und Annoncen, die insgesamt ein Spiegelbild des sozialen Umfeldes darstellen. Dabei ist mir aufgefallen, dass in den letzten Monaten die inserierenden Firmen zunehmend die eventuellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit »M, W, und D« titulieren. Natürlich weiß ich, was das bedeutet. Doch daraus ergibt sich eine Frage, für die ich in der deutschen Rechtschreibung noch keine eindeutige Antwort gefunden habe. Vielleicht findet sich bei Veröffentlichung meines Leserbriefes ein sachkundiger Germanist oder eine Germanistin, der oder die mir weiterhelfen kann. Nun die Frage: In Briefen an unbekannten Personen habe ich bisher immer die Anrede »Sehr geehrte Damen und Herren« verwendet. Das bezog sich auf die zwei Geschlechter, die über Jahrhunderte hinweg als gängige Lehrmeinung galten. Das hat sich nun insofern geändert, weil das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil sagt, dass es zwar nicht drei Geschlechter gibt, aber mehr als zwei Menschen, »die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen« und die ein Recht darauf haben, dass das Personenstandsrecht eine positive Bezeichnung für sie anbietet. Alternativ wäre auch die Streichung des Geschlechtseintrags. Zu diesem Urteil habe ich zwar eine Meinung, aber die ist hier nicht maßgebend. Auf dieses Urteil bezieht sich jedenfalls das »D« für divers. Nun werde ich weiterhin jede lesbische Frau mit »Frau« ansprechen, denn sie hat ja die Attribute einer Frau und kann, wenn sie es will, auch Kinder bekommen. Ihre sexuellen Veranlagungen und Wünsche sind Privatangelegenheit. Sinngemäß ist auch die Haltung homosexuellen Männern gegenüber. Es sind »Herren« in der Ansprache, aber auch biologische Männer. Nun gibt es aber tatsächlich nicht wenige Menschen, die sich biologisch und/oder emotional nicht in die Klassifizierung »Frau« (bzw. Dame) und »Herr« einordnen lassen und es auch nicht wollen. Nun antwortet eine Person auf so eine Anzeige »M, W und D« und offenbart sich bewusst, aus welchen Gründen auch immer, als divers, wie spreche diesen unbekannten Menschen in einem Brief an? »Sehr geehrte Frau«, geht nicht. Ebenso ist »Sehr geehrter Herr« unpassend. Schreibe ich »Sehr geehrter Diverser« oder besser »Sehr geehrte Diverse«? Solcherart Stigmatisierung würde wohl zu Recht einen Sturm der Entrüstung hervorrufen. Was also tun? Jahrtausende Jahre lang hat die Menschheit mit diesen Launen der Natur gelebt und leben müssen. Zugegebenermaßen war es meist schwierig für die Betroffenen, aus religiösen oder rassistischen Gründen, wie beispielsweise in der NS-Zeit. Nun hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gefällt, das die rechtliche Gleichwertigkeit aller Menschen auf dem Gebiet der BRD unterstreichen soll. Gut so. Es beantwortet aber nicht meine Frage, wie spreche ich eine Person an, die sich bewusst als »divers« bezeichnet?

Joachim Rudek, Rostock , 24.09.2021

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