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Vertreibung und Neubeginn vor 75 Jahren

75 Jahre sind vergangen, seit unzählige Deutsche durch Krieg und Vertreibung die Heimat verloren und in Mecklenburg ein neues Leben begannen. Bei Klassentreffen meiner Generation spielt das Thema immer noch eine Rolle, wie dieses Gedicht zeigt: Ganz ohne Hilfe von Sponsoren, so wurden wir im Krieg geboren und hatten oft das gleiche Los – wir wurden ohne Vater groß. Es ist schon viele Jahre her, und deshalb weiß es keiner mehr, wie ärmlich wir in jenen Jahren als Kinder angezogen waren. Die Hosen hingen bis zum Knie, war‘n oft geflickt und passten nie. Die Füße schwitzten Schritt für Schritt in Schuhen ganz aus Igelit. Auch was ich damals überzog, das stand in keinem Katalog, war von Geschwistern übernommen und nicht von Neckermann gekommen. Was hatten wir der Welt getan? Erst Molke und dann Lebertran, so viele Löffel, kaum zu zählen, die mussten wir uns runterquälen. Die Nachkriegszeit, so schlimm sie war, für uns erschien sie wunderbar, kein Flugzeug kam, keine Bomben fielen, wir Kinder konnten auf der Straße spielen. Die heut‘ge Jugend wird wohl fragen, wie konntet ihr das bloß ertragen? Woher kam euer Lebenswille, ganz ohne Disko, Pop und Pille, ganz ohne Joint und Ecstasy? Das war doch trostlos, denken sie. Ja, wenn ich das im Rückblick seh‘, es gab weder Walkman, noch CD, kein Handy gab‘s in jenen Jahren, doch denk ich, dass wir glücklich waren. Ihr könnt mir glauben, liebe Leute, es war so manches nicht wie heute! Die, die den Weltkrieg überstanden und später dann als Hauptprobanden im Lauf von 70, 80 Jahren auch niemals zu erschüttern waren, die falln nicht einfach in ein Loch. Und wie ihr seht, wir leben noch!

Dr. Hans Bomke, Schwerin, 19.03.2020

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