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»Klettergarten« auf dem Tradi als Ausdruck neuer Wirklichkeitsbeziehungen?

Ganz schön selbstherrlich, wie man mit unserem schwimmenden Denkmal »Traditionsschiff« umgeht. Die Museumsleitung plant mit einem Fremdunternehmen die Installation eines »Klettergartens«, der dann wie ein Spinnengewebe in der Take­lage platziert werden soll. Nur die Denkmalbehörde muss es noch genehmigen. Es soll vermutlich eine BUGA »Attraktion« werden. Von allem was die Rostocker in ihrer Entwicklung an der maritimen Kultur geschaffen haben, ist bis heute leider nur ein kleiner Bruchteil erhalten. Einiges, wie von der ehemaligen »Kronprinz«, oder Ex »Undine« – oder noch weniger. Das Tradi wurde nach dem Weltkrieg als Eigenprodukt, nämlich von Rostocker Ingenieuren erdacht, 15mal gebaut und von der Rostocker DSR dann zwölffach selbst betrieben. Wie viel Arbeit, Schweiß und Herzblut unser Väter und Großväter darin steckte, können wir nur erahnen, nur noch von wenigen Typ-IV-Fahrern live erfahren. Deshalb ist es wichtig, das letzte Typ-IV-Schiff für die nächsten Generationen so im Original zu erhalten und zu bewahren, wie es uns einst stolz in 80 Häfen, in 38 Ländern der Welt, repräsentierte. MS »Dresden« transportierte Stückgut aller Art, unter anderem Maschinen, Musikinstrumente, optische Geräte, Silber, Lebensmittel, Schlachtrinder und sogar lebende Tiger aus Korea. Mit hanseatischen Stolz der Rostocker repräsentierte das Tradi mit seiner eleganten Form und weithin sichtbaren Takelage für die IGA, sozusagen als ganz besonderes Glanzstück, das man einst und auch heute gerne fotografierte. Das wird allerdings auch weiterhin möglich sein, nur wird die Schiffstakelage durch ein überdimensioniertes, optisch störendes »Spinnennetz« eines Klettergartens durchwoben sein, also nichts mehr mit den bisherigen Bildern gemein haben, schon gar nichts mit dem Originalschiff, falls die Entscheidungsträger des Denkmalamtes jetzt dem Projekt »Klettergarten« zustimmen. Kommt natürlich die Frage auf, wieso ausgerechnet auf dem Denkmal- und Museumsschiff, das wir eigentlich im Originalzustand bewahren wollen, wo doch Klettergärten sonst eigentlich bevorzugt in Wäldern angelegt werden, um die Kletterer auch vor Wind zu schützen? Allerdings wurde das Projekt der Öffentlichkeit auch noch nicht vorgestellt. Hier geht es anscheinend um einen möglichen Härtetest für mutige Kletterer, denn steifer Wind weht besonders in der Takelage – eigentlich immer. Sollten wir da nicht auch alle mitreden, wenn eine unserer maritimen Sehenswürdigkeiten der BUGA als Spielplatz geopfert wird, oder ist ein Klettergarten als Spinnengewebe auf MS »Dresden« jetzt ein Ausdruck neuer Wirklichkeitsbeziehungen unserer Ämter, bei denen wir uns still zu fügen haben?

Stephan  Bohnsack, Rostock, 18.02.2021

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