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Das Problem mit dem Problem

Antwort auf den Leserbrief "Das Problem liegt tiefer" vom 01.11.2020

Herrn Frenz ist sicher nicht durchweg zuzustimmen, aber insgesamt schon. Herrn Fehrmann stimme ich auch teilweise zu, muss aber dennoch etwas entgegnen. Dass ein Atheist Religion für unwissenschaftlich und unnötig hält, ist sein gutes Recht. So auch die in einem einzigen Satz ganz unwissenschaftlich begründete Entstehung von Religion. Man kann nicht erwarten, dass ein Atheist versteht, was das Wesen von Religion ist. Das ist unproblematisch. Dafür haben wir ja gottlob die Meinungsfreiheit. Widersprochen werden aber muss der Aussage, dass im Namen der „richtigen Religion“, womit erst im Kontext des nachfolgenden erkennbar der Islam gemeint ist, noch heute grausame und brutale Kriege geführt würden, so ist dieses schlicht falsch. Zwar gibt es die schlimme Terrorakte seitens jener blasphemisch sich Muslime bezeichnenden Fanatiker, denen aber überaus mehrheitlich sogar Muslime zum Opfer fallen, aber Kriege im herkömmlichen Sinne führen schon seit gut 200 Jahren andere, wenn man von Saddam Husain oder Erdoğan oder von IS & Co. absieht. Die Opferzahl der Kriege, welche von europäischen und US-amerikanischen Truppen in den letzten 200 Jahren geführt worden sind, übertreffen die Opferzahl der durch muslimische Terroristen verursachten Opfer um ein Vielfaches. Die Millionen allein beider Weltkriege, einschließlich des Holocaust wie auch Hiroshima und Nagasaki, und alle anderen Kriege auf fremdem Boden gehen nicht auf das Konto muslimischer Truppen. Widersprüchlich in sich ist auch, wenn einerseits zurecht gesagt wird, dass das Problem nicht „die Religion“ ist, sondern ihr Missbrauch durch die Fanatiker, welche die Täter rekrutieren, dann aber schlussfolgert, dass genau dies das eigentlich „Gefährliche der Religionen“ sei. Damit wird die Schuld noch im selben Satz wieder den Religionen zugewiesen, nicht aber den Missbrauch übenden, nicht den Fanatikern. Denn die Ursachen werden damit in den Religionen selber verortet. Das ist gegenwärtig allgemeiner Trend im Argument, indem nicht mehr die Täter und ihre Hintermänner im Fokus stehen, sondern der Islam und die Muslime insgesamt. Viele meinen sogar entgegen alle Vernunft, die Extremisten seien die wahren Muslime, weil sie den Quran 1:1 umsetzen würden. Man verlässt sich darauf, dass man genug wüsste, was der Quran sagt, obwohl jene Fanatiker tatsächlich gegen alle Regeln des Quran verstoßen und den Islam vergewaltigen. Wahrheit, Wissen und Sachlichkeit bleiben auf der Strecke. Bauchschmerzen sollte man eigentlich auch bekommen, wenn jemand sagt, dass man Religion nicht abschaffen könne, auch nicht mit Gewalt, und dass diese „sich selbst überleben“ (gemeint ist wohl sich selbst erledigen oder sich erübrigen) müsse, indem die Menschen klüger werden, und dass man halt solange damit leben müsse, natürlich ohne Gewalt und jeder nach seiner Façon. Während letzteres sicher richtig ist, so ist es schon sehr anmaßend, Menschen Dummheit zu bescheinigen, wenn sie Gläubige sind. Wäre dies eine Frage von Klugheit und Wissen, was Religiösen abgesprochen wird, dann muss man sich wundern und fragen, wie klug doch all der Wahn sein müsste, der bar jeden Glaubens über uns und andere Völker hereingebrochen ist und Millionen das Leben kostete.

Haiko Hoffmann, Schwerin, 06.11.2020

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