Leserbriefe lesen

Corona und die Vertrauensfrage

Zwei Sätze vorweg: Erstens sage ich ausdrücklich, dass ich medizinischer Laie bin. Zweitens gehören Meinungsfreiheit und kritische Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen zu den Grundpfeilern einer Demokratie und jeder offenen Gesellschaft. Erschrocken bin ich allerdings über Leserbriefschreiber, die offensichtlich sich selbst zu Experten ernannt haben und fordern: „Beenden wir die Corona-Krise“ und die von einer „Gesundheitsdiktatur“ reden. Details erspare ich mir, weil die "Strickmuster" sich immer gleichen: Renommierte Institute und Wissenschaftler werden ebenso mit dem pauschalen Verdacht der Lüge, Täuschung und Irreführung überzogen wie durch demokratische Wahl legitimierte Institutionen. Die Rede ist von „Staatsmedien“ und von einer „Verschwörungstheorie“. Und selbstverständlich steht dies alles im Dienste des "Kapitals", um den Profit zu mehren und die Grundrechte weiter einzuschränken. Ob all jene, die so schreiben, wissen, dass sie mit ihrem Tun gerade das widerlegen, was sie beschreiben? Aber auch das ist natürlich wieder nur ein "Trick" der „Handlanger des Kapitals“. So kann, so wird es weitergehen, wenn nicht klar wird, wem das alles dient: 1945 fand in Deutschland ein verbrecherisches System sein Ende. Es wurde für viele Menschen abgelöst von einem System, das ebenfalls alles andere war als eine offene Gesellschaft. 1989 war auch dieses System am Ende. 1945 und 1989 – zwei Jahreszahlen, die für viele von uns (fast) nur noch Geschichte sind. Darum ranken sich auch wieder bunte Mythen um das, was damals doch alles so gut war in diesem Land. Für mich am verheerendsten sind Glorifizierungen des "braunen" Geistes, der offensichtlich der Büchse der Pandora wieder einmal entstiegen ist. Doch auch die "Segnungen" der „führenden Partei“ dürfen nicht verharmlost werden. Wer heute von der Einschränkung der Grundrechte spricht und sich dem demokratischen Diskurs verweigert, muss sagen, was seine Alternative zum Dialog und öffentlichen Diskurs ist. Zu billig, zu einfach und vor allem zu gefährlich ist es, sich damit zu begnügen, durch freie, demokratische Wahlen legitimierte Institutionen mit einem Generalverdacht zu überziehen und das Vertrauen in unsere gesellschaftlichen Grundpfeiler zu zerstören. Es sei denn, es ist politisches Ziel! Wohin das führt, sollte für Demokraten allerdings klar sein, so dass Wachsamkeit kein Ausdruck von Angst und Schwäche, sondern ein Gebot der Klugheit ist.

Rudolf Hubert, Schwerin, 10.08.2020

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