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Stralsunds Kneipen

64 Interessenten begrüßten zu Beginn des Herbstsemesters der Seniorenakademie den gebürtigen Stralsunder Geschichtslehrer Steffen Melle, der Einheimischen und Touristen schon durch sein Buch über Hanni Höppners Hafenkneipe „Zur Fähre“, der ältesten Hafenkneipe der Stadt (1332) und einer der ältesten Europas, bekannt ist. Sauberes Wasser war früher in Stralsund eine Rarität. Selbst mit Tüchern gefiltertes Teichwasser hatte natürlich nicht die heutige Qualität. Insofern trank man damals preiswertes Bier (da sauber hergestellt). Während in südlicheren Gegenden dafür verstärkende bis gefährliche Zutaten (z.B. Bilsenkraut) genutzt wurden, verwendete man in Stralsund im MA (seit 1284) schon Hopfen. Bier lieferten Häuser mit Braugerechtigkeit, die beantragt werden musste, und eigenen Brunnen. Bier diente als Grundnahrungsmittel auch für Kinder, und das stärkste als Exportgut. Zur Hansezeit gab es in der Stadt über 220 Braugerechtigkeiten, und Bier wurde nach Dänemark, Norwegen, England und Schottland geliefert. Bier des zweiten Durchgangs galt als Alltagsbier, das des dritten Durchgangs war sehrt dünn. Man machte daraus Biersuppe oder aß dazu als Frühstück eine Scheibe Brot. Man unterschied zwischen Schank- und Gastwirten, wobei erstere einen guten Ruf hatten. In der Schwedenzeit waren 1627 im Schankverzeichnis 92 Kneipen in der Altstadt und 17 bei den Stadttoren eingetragen. Da es in der „Besatzungszeit“ auch Probleme zwischen der Bevölkerung und den Wirten mit dem schwedischen Militär gab, wurde 1733 eine „Verordnung wider das Schwelgen und Saufen“ erlassen, um die Gemüter zu beruhigen. Es kam die Zeit des Entstehens der Branntweinkneipen. Zwischen 1803 und 1830 wurden 290 neue Konzessionen für Wirtschaften erteilt. Auch dem Glücksspiel war man gewogen, aber die Stadt verhängte harte Strafen gegen Glücksspieler und Wirte bis hin zum Verbot der Konzession. Seit 1591 (!) gab es Jugendschutzbestimmungen. Bei Vergnügungen hatten Jugendliche nichts verloren, und Unterachtzehnjährigen durften keine Likörbonbons gereicht werden. Das „horizontale Gewerbe“ wurde von vielen Kellnerinnen selbst betrieben. Sicher gäbe es noch viel zu berichten. 2022 publizierte Steffen Melle sein Buch „Die Kaufleute vom Scheelehof“, da es in der Fährstraße 24 auch mal ein Kneipchen „Zum Schill“ gab. „Kneipe“ bedeutet nichts anderes als „… ganz dicht beisammen sitzen“. Und nach weiteren Recherchen entstand das Buch „Kneipen der Stralsunder Altstadt 1332-2023“, das in jeder Buchhandlung zu erhalten ist. Die Anwesenden dankten Steffen Melle ganz herzlich für diesen äußerst informativen Vortrag. Wolfgang Mengel, Seniorenakademie

Wolfgang Mengel, Stralsund, 15.09.2025

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