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Bauernkrieg in Deutschland

»Geschichte ist eine Fiktion. Sie war nie so, wie man später darüber spricht oder schreibt.« (Nietzsche) Die »Würdigung« des deutschen Bauernkrieges 500 Jahre nach der Entscheidungsschlacht bei Frankenhausen in einem Leserbrief im Blitz vom 26. Mai 2025 scheinen diesen Gedanken zu unterstreichen. Der Direktor des Museums für deutsche Geschichte Hans Ottommeyer stellte schon vor zwei Jahrzehnten fest: »Die völlige Unkenntnis der Geschichte ist gewachsen und wird nur noch durch Vorurteile und Schlagwörter übermittelt.« Natürlich werden die Fakten geschichtlicher Ereignisse von jeder Gesellschaftsordnung anders interpretiert. Aber es ist unhistorisch, wenn man vom Bauernkrieg spricht, dass von der SED Thomas Müntzer, die schillerndste Persönlichkeit der Insurrektion, zu einem kommunistischen Prototyp transformiert und als Sozialrevolutionär und Nationalheld gefeiert wurde. Lassen wir Thomas Müntzer selbst zu Wort kommen: »Die Herrn machen es selber, dass ihnen der arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun, wie kann es auf die Länge gut werden? So ich das sage, muss ich aufrührerisch sein! Wolhin! Deshalb muss der gemeine Mann selber gelehrt werden, damit er nicht länger verführt wird.« Das Credo Müntzers unter dem Einfluss der Wiedertäufer: »Omnia sunt communia« (Allen ist alles!). Die Triebfedern der Bauernaufstände in Deutschland, von der Bundschuhverschwörung bis zum Höhepunkt in Mitteldeutschland waren religiöser Prophetismus und Pfaffenhass mit sozialen Forderungen. Es ging nie um »Freiheit«, sondern um Befreiung von der sozialen Last, denn jede echte Revolution hat ökonomische Ursachen. Wenn man von Freiheit in der Geschichte spricht, darf man nicht vergessen, dass mehr Freiheit für eine Gesellschaftsschicht immer weniger Freiheit für Andere bedeutet. Ernüchternd für die Utopisten: »Völker, die um ihre Freiheit kämpfen, erhalten selten mehr als nur neue Herrn!« Lord Irvin, 1. Earl of Halifax, früher Brit. Außenminister. In der DDR-Geschichtsschreibung ging man davon aus, dass in der Geschichte nicht entscheidend ist, was historische Persönlichkeiten zu tun beabsichtigen, sondern welchen historischen Zwecken ihr Handeln objektiv dient. Die lutherische Reformation beschränkte sich auf den Bereich des kirchlichen Lebens. So war der Reformator selbst erschrocken, als die ganze feudale Gesellschaft in Bewegung geriet. Dazu hatten Müntzer, Joß Fritz und das »Pfeiferhänslein« vom Bundschuh, Jäcklein Rohrbach, Michael Gaismeier, Wendel Hippler und Florian Geyer mit ihrer Agitation und bewaffneten Kämpfen entscheidend beigetragen. Warum der Bauernkrieg als frühbürgerliche Revolution im Geschichtsbewusstsein der DDR galt? Die Forderungen der Aufständischen (Bauern, Plebejer und anfangs auch Bürger der Städte) wurden in den »12 Artikeln« 1525 und im »Artikelbrief«, die als Kampfprogramme gelten können, festgeschrieben: Beseitigung der Leibeigenschaft (ideologisch im Rahmen des Christentums), Reform des Gerichtswesens, Beseitigung der Zölle und Steuern (außer der Reichssteuer), einheitliches Münz-, Maß- und Gewichtssystem in Deutschland. Das waren Forderungen zur ökonomischen Entfaltung des Bürgertums. Michael Gaismair forderte einen Staat ohne Obrigkeit, Verstaatlichung des Bergbaues und des Handels, angesichts der damaligen gesellschaftlichen Entwicklung utopisch. Friedrich Engels: Gaismair »war das einzige bedeutende militärische Talent unter sämtlichen Bauernführern«. Es ist keine historische Gerechtigkeit, wenn die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewusstseins bei Politikern und Volk in der DDR ignoriert wird. Als Naturwissenschaftler habe ich von Darwin gelernt, dass »nur der Angepasste überlebt«. Warum soll es in der menschlichen Gesellschaft anders sein? Das Lutherjubiläum 1983 wurde im Martin-Luther-Komitee von Staat und Kirche unter dem Motto »Vertrauen wagen«, gemeinsam vorbereitet. Jegliche Verherrlichung unterblieb und es wurde kein Legitimationsanspruch vom Staat erhoben. So habe ich Sindermanns Fest-Rede jedenfalls verstanden.

Machalett Dr. , Siedenbollentin, 04.09.2025

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