Leserbriefe lesen

Hysterie als Staatsdoktrin?

Kürzlich hielt Staatspräsident Steinmeier wieder eine seiner bedeutsamen Reden – diesmal als Nachlese zu den Auswirkungen der Coronakrise. Viele Bestimmungen und Maßnahmen seien übertrieben gewesen und hätten Schaden verursacht, so seine staatsmännische Schlussfolgerung. Wie aber konnte es dazu kommen? Nun, man ging ganz einfach vom Allerschlimmsten aus: Die Produktion und die Lieferketten brächen zusammen, die unbekannte Seuche brächte das Gesundheitswesen zum Zusammenbruch. Nun haben wir wieder eine Krise – die durch Trumps Regierungsantritt angeblich sprunghaft gestiegene Kriegsgefahr. Denn er wolle uns nicht mehr schützen! Als »Spiegel«-Leser weiß ich allerdings seit einem Artikel von 2022, dass allein die europäischen NATO-Staaten einen dreimal höheren Rüstungsetat als Russland hatten. Ein im gleiche Jahr veröffentlichtes Piktogramm veranschaulichte, dass eben diese europäischen Staaten ein deutliches Übergewicht an Personal und allen Waffenarten, ausgenommen Kernsprengköpfe, haben. Was hat sich seitdem geändert, außer dass Russlands Armee in der Ukraine im Stellungskrieg stecken geblieben ist? (Ein »Militärexperte« schrieb erst kürzlich im Internet, dass die Russen mehr Panzer verlieren, als die Industrie nachzuliefern imstande ist.) Am 18. März hat nun der eigentlich abgewählte Bundestag entschieden, dass hunderte Milliarden für die »Nachrüstung« ausgegeben werden können. Gibt es vielleicht auch eine »Schattenarmee« in Sibirien? Eigentlich auszuschließen, wenn man weiß, dass Russlands Wirtschaftsstärke weltweit auf Platz elf noch hinter Italien und Belgien liegt ! Nun wurde aber gleichzeitig auch beschlossen, dass Deutschland bis 2045 Klimaneutral sein soll! Dann muss man aber äußerst energieintensive Stahlschmelze und Panzerproduktion in Australien, die Aluminiumproduktion und den Flugzeugbau in Amerika ausführen. Und da Panzer und fast alle anderen Militärfahrzeuge wie auch die Düsenjets keinerlei Abgaskatalysatoren haben, muss man dann all diese »Gerätschaften« auf dem Außenstützpunkt der Bundeswehr in Litauen kreisen lassen. Wir vernässen unterdessen wieder alte Moore. Es ist nicht lustig, alle Talkshows sind derzeit mit Rüstungsexperten so wie zur Coronazeit mit Seuchenexperten überbesetzt. Und noch dazu lese ich im aktuellen »Spiegel« (Heft 12 Seite 26), dass eine Gruppe von »Wirtschaftsweisen« dem künftigen Kanzler Merz in einem Brief geraten habe, er solle sich von Putins Atommacht nicht einschüchtern lassen – »es sei nicht mal sicher, dass die russischen Langstreckenraketen funktionieren«. Bei solchen Experten und Beratern möchte man sich am liebsten die Bettdecke über den Kopf ziehen!

Hubert Pietschmann, Rostock , 24.03.2025

Hier können Sie Ihre Leserbriefe online aufgeben

Bitte beachten Sie, dass wir uns das Recht vorbehalten, im Falle des Abdruckens in der Zeitung, Textpassagen zu kürzen oder nachträglich zu ändern.