Klimanotstand ade!

Im Januar 2020 ist hier in Schwerin der Klimanotstand ausgerufen, um Maßnahmen zu ergreifen, die es folgenden Generationen erlaubt, auch auf diesem Planeten ein gutes Leben zu führen. Mit dem Ausrufen des Klimanotstandes wurde über einen weiteren wichtigen Punkt demokratischer Bürgerbeteiligung abgestimmt. So hieß es in Punkt 3 des Antrages zum Klimanotstand:
„Weiterhin sollen über geeignete Beteiligungsformen die Ideen der Bürgerinnen und Bürger für Maßnahmen des Klimaschutzes fortlaufend aufgenommen und dabei insbesondere Kinder und Jugendliche z.B. der Kinder- und Jugendrat und die Aktiven von Fridays for Future, beteiligt werden.“
Wo bleibt diese Bürgerbeteiligung, andere sich für Klimaschutz einsetzende Bewegungen bei wichtigen Entscheidungen für die Zukunft einzubeziehen? Nachdem schon ein anderer klimaschädigender Beschluss zum Ausbau des Autobahnzubringers A14 ohne Bürgerbeteiligung gefasst wurde, nun ein weiterer Beschluss, der ein möglicherweise fatales Zukunftsdrama für die jetzige Jugend darstellt.
Der Verkauf des Grundstückes an Amazon, der Bau und die Instandsetzung des Logistikzentrums bedeuten weitere Unmengen an Bodenversiegelung, klimaschädliche Bauweisen mit Zement und Beton, weitere Verstärkungen des motorisierten Individualverkehrs und Warentransportes und die Zerstörung von geschützten und schützenswerten Biotopen.
Frau Pfeifer (SPD-Fraktionsvorsitzende) nutzt auch das Argument der 130 Arbeitsplätze, um für Amazon zu stimmen. Warum hört beim Argument „Arbeitsplätze“ das Nachdenken auf? Amazon in Schwerin bedeutet für den ganzen norddeutschen Raum das Ausbluten auch der anderen Innenstädte . Warum legen unsere Politiker*innen ihr Augenmerk nicht auf regionale Produktion und Konsumption? Das würde Klimaschutz, regional organisierte Arbeitsplätze und ökologisches und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften ermöglichen.
Warum – liebe Fraktionen der SPD, der Grünen und der Partei die LINKE legt ihr hier nicht Ideen für ein Umdenken in der Wirtschaft vor? Es gibt so viele Möglichkeiten, hier Arbeitsplätze zu schaffen: es fehlt an Pflegekräften in den Einrichtungen, Erzieher*innen werden gesucht, auch Lehrer*innen. Die zu verwirklichende Klimawende benötigt Arbeitsplätze, die die regionale Wirtschaft und den Einzelhandel stärken. Und gerade in Zeiten der Pandemie merken wir, dass das lokale Wirtschaften auch unabhängig von Konzernen macht. Und das wollen wir mit einer Ansiedlung von Amazon schaffen? Warum setzen Sie sich dafür ein, dass Arbeitsplätze für den Niedriglohnsektor geschaffen werden, wobei der Konzern seine Gewinne privat eintreibt?
2019 war für Amazon ein Rekordjahr. Der Konzern hat 180,5 Milliarden US-Dollar umgesetzt, das ist eine Steigerung von 20% gegenüber dem Vorjahr. Der operative Gewinn stieg um fast 17 Prozent auf 14,5 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig gehört Amazon zu den absolut Besten, wenn es darum geht, Steuern zu vermeiden. 2017 und 2018 beispielsweise zahlte der Konzern in den USA überhaupt keine Steuern, trotz zweistelliger Milliardengewinne. Im Gegenteil wurde sogar, offenbar ganz legal, ein Steuerguthaben angespart, mit dem man die zukünftige Steuerlast senken kann.
Und diese Praktiken wollen wir unterstützen? So sieht kein Umdenken aus.
Darüber hinaus ist der Konzern längst in den Lebensmittelmarkt eingestiegen. In den USA wurde die Supermarktkette Whole Foods gekauft, welche durch die Virus-Pandemie ein starkes Wachstum des Lieferdienstes erlebt. Auch dies ist ein Grund, warum neue Mitarbeiter eingestellt werden. Wollen wir in Zukunft,wie so schön in Marc-Uwe Klings Dystopie „Quality Land“ beschrieben, unser Essen vom Versandhändler entgegen nehmen statt beim Laden um die Ecke oder auf dem Markt unsere Waren aussuchen zu können und nebenbei noch einen Schnack zu halten?
Wie wird die Situation nach der Pandemie aussehen? Wie wird sie aussehen, wenn es zu der befürchteten Weltwirtschaftskrise kommt, in der viele Unternehmen entweder untergehen oder mit staatlichen Mitteln gerettet werden müssen? Möglicherweise bietet sich für Amazon dann die Gelegenheit weitere Einzelhandelsketten aufzukaufen und gleichzeitig die Logistik auszubauen. Wollen wir wirklich, dass in Zukunft Amazon die Produktions- und Lieferkette vom Rohstoff bis zum Endprodukt kontrolliert und unsere Selbstbestimmung und die vielen Auswahlmöglichkeiten an Produkten vor Ort verschwunden sind?
Auch wenn das nur Spekulation ist, unser Handeln im Hier und Jetzt bestimmt das Leben in der Zukunft- und deswegen sollten auch jetzt die jungen Leute wie die Fridays mitentscheiden können, um kurzsichtige klimaschädigende Maßnahmen zu vermeiden.
CDU, SPD, UB, AFD und auch Grüne: Bitte befragt die Menschen, die hier wohnen, die Jugend, die ihr Leben noch vor sich hat und bezieht sie in Ihre Entscheidungen mittels Debatten mit ein! Oder wollen Sie die Vorwürfe der Verantwortungslosigkeit zu sozialen, regionalwirtschaftlichen und ökologischen Betrachtungen auf sich und unserer Stadt sitzen lassen?

Jana Wolff