Wer mich kennt, wird sagen: Hat er kein anderes Thema? Das Verhältnis Deutschlands zu Russland bewegt (mich) nun einmal, und nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ greife ich es immer wieder auf. Die neue Verteidigungsministerin Ch. Lambrecht besuchte kürzlich die deutschen NATO-Truppen im Baltikum. Nebenbei: Bei allem Respekt vor den Frauen, aber m. E. ist das Militärische Männersache. Ihr dortiges Auftreten hinterließ bei mir eine ganz schwache Hoffnung auf eine Linderung des Kurses gegenüber Russland, aber der Schein mag ja auch trügen. Sie sicherte den baltischen Staaten die deutsche Solidarität zu, was bleibt ihr auch anderes übrig bei den gegenwärtigen westlichen Konstellationen. Täglich überschlagen sich die Medien in der Darstellung der Aggressionsabsichten Russlands gegenüber der Ukraine. Russland erwartet seinerseits Sicherheitsgarantien vom Westen und der NATO, Vorschläge Putins werden jedoch sofort brüsk abgelehnt. Der Westen fordert Einlenken von Russland, ist aber selbst absolut nicht bereit, auch einmal einzulenken. Der Westen geht auf die Barrikaden, wenn Russland auf seinem eigenen Territorium Manöver durchführt, aber wenn die USA tausende Kilometer entfernt von ihrem eigenen Territorium im Baltikum Manöver durchführen, dann ist das scheinbar ganz normal und nicht zu beanstanden. Das ist ja auch der „nationalen Sicherheit“ der USA geschuldet, Russland hat auf seine nationale Sicherheit natürlich kein Recht. Dem Westen (incl. den USA) und der NATO kommen ja die Hasstiraden Polens und der baltischen Staaten äußerst gelegen, um die westlichen Truppen bis an Russlands Grenze zu ziehen. Dabei werden jegliche Vorschläge Putins (auch schon in der Vergangenheit) für eine Entspannung und fruchtbare wirtschaftliche Zusammenarbeit grundsätzlich abgelehnt, man muss ja das Feindbild erhalten, sonst hätte ja die NATO keine Daseinsberechtigung mehr. Und Deutschland (bei sehr großer historischer Schuld!) mischt kräftig mit, auch die Exkanzlerin orientierte sich nur westwärts. Hat nicht Brandt vom „Wandel durch Annäherung“ gesprochen? Mit der aktuellen Politik des Westens und Deutschlands wird man weder das russische Volk geschweige einen Putin bekehren. Es hilft nur auf Augenhöhe an einen Tisch und trotz aller Kontroversen bereit sein, sich auch die Sorgen der Gegenseite anzuhören. Den westlichen Oberlehrer spielen zu wollen ist eine absolut nicht zielführende Taktik! Auch in Afghanistan hat man (über 20 Jahre!) die Situation völlig verkannt und ist gescheitert. Keine Lehren? Für Interessenten und die, die vielleicht doch mal etwas hinter die Kulissen schauen wollen: Die Journalistin Anna Rose ist gebürtige Russin, hat seit Mitte der 90er Jahre Verbindungen nach Deutschland und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Im Verlag „Das Neue Berlin“ ist in diesem Jahr von ihr ein Buch mit dem Titel „Hassliebe – Warum Deutsche und Russen nicht miteinander können“ erschienen. Dort, wo es sein muss, kreidet sie scharf Putins politische Fehler an, aber auch ebenso die des Westens. Sehr aufschlussreich ihr Blick in und hinter den russischen Menschen. Sehr lesenswert, besonders auch für deutsche Politiker, deren Arbeit sehr eng mit Russland verbunden ist. Und der Begriff „Putinversteher“ ist hier absolut fehl am Platze!
Wolfgang Mengel, Stralsund