Benzin-Preis-Poker

Als kurz nach der Wende die nunmehr vom staatlichen Minol-Monopol und ihren Zweitaktern befreiten Autofahrer erbost auf das neue Phänomen erheblicher Preisunterschiede an den Zapfsäulen der Tankstellen reagierten, wollte sich der damalige MV-Wirtschaftsminister Lehment zu ihrem Fürsprecher machen und lud die Konzerne zu einem klärenden Gespräch ein. Am angesetzten Termin erschienen immerhin zwei Vertreter, alle anderen fehlten. Die Verärgerung Lehments war sehr wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass in der Politschulung seiner früheren Partei, der LDPD, das Thema »Ökonomie des Kapitalismus« wohl nur sehr oberflächlich, wenn denn überhaupt, behandelt worden war. Seine neuen Parteioberen in der FDP konnten über so viel Naivität nur milde lächeln und klärten ihren adoptierten Parteifreund rasch über das Wesen der siegreichen Marktwirtschaft auf. Jedenfalls blieben weitere Einladungen aus und der Ärger über die zahlenmäßige Ausgestaltung der Zapfsäulen bis heute erhalten. Allerdings kam eine neue Spielart hinzu. Ging es früher darum, wo der Sprit billiger zu bekommen war, so ist jetzt auch noch die Tageszeit für das Tanken zu beachten. Wer hat nicht schon folgende Szenarien erlebt? Man kommt vom Bezahlen, fährt los und erkennt im Rückspiegel, dass der Preis gerade wie von Geisterhand gesenkt wurde oder Variante 2: Man kauft noch schnell im Supermarkt ein und staunt, dass der Preis in der Zwischenzeit erhöht wurde. Es reicht also nicht, sich über die hohen Preise zu erregen, der Kunde wird auch noch zum Narren gehalten. Zu wünschen wäre ein für deutsche Verhältnisse fast schon revolutionärer Schritt, die Konzerne zu zwingen, nur einmal täglich die Preise zu verändern. Aber es ist ja leider kein neuer Lehment in Sicht.