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Demokratieverständnis

„Wir verteidigen unsere Demokratie mit ganzer Kraft“ sind Äußerungen unserer Politiker in fast jedem Interview. Da frage ich mich, welche Demokratie meinen sie? Im Gegensatz zur Schweiz (direkte Demokratie) sprechen wir in Deutschland von einer repräsentativen Demokratie. Hier wählt das Volk Abgeordnete in die Parlamente, die dann das Volk repräsentieren. Das bedeutet, sie vertreten die Meinungen und Wünsche der Bevölkerung und stimmen an ihrer Stelle ab. Während der Bundestagssitzungen beobachte ich mit großer Regelmäßigkeit die geringe Anwesenheitsquote der gewählten Parlamentarier. Wie wollen die abwesenden Politiker „ihre Demokratie“ verteidigen, wenn sie nicht anwesend sind? Ich vermute, dass über die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen schon viele Monate bzw. Jahre verhandelt wurde. Schließlich betont der Bundeskanzler stets, dass wichtige Entscheidungen nur in Abstimmung mit den anderen NATO-Partnern getroffen werden. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Verhandlungen vorab sehr intensiv und zeitaufwändig gewesen sein müssen. Die Öffentlichkeit wurde im Juli 2024 während der Feierlichkeiten zum 75. NATO-Geburtstages über diesen wichtigen Beschluss in Kenntnis gesetzt. Warum wurde darüber nicht per Volksentscheid am 09.06.2024 abgestimmt? Ein weiteres Kreuz auf den Wahlzetteln hätte den repräsentativen Volkswillen in dieser wichtigen Frage dargestellt und keine zusätzlichen Kosten verursacht. Das wäre meiner Meinung nach demokratisch gewesen! Die NATO wurde 1949 als Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion gegründet. Vier Jahre nach dem Krieg war nach Ansicht des Westens von einer Bedrohung durch die Sowjetunion auszugehen. Ich vermute, diese Entscheidung wurde hinter verschlossenen Türen durch die westlichen Alliierten getroffen, denn die Völker Europas hatten zu dieser Zeit andere Sorgen und den Aufrüstungsplänen der Politiker nicht zugestimmt. Die Gründung der Warschauer Vertragsstaaten im Mai 1955 war die Antwort und das Wettrüsten begann von vorn. Mit der Wende gab es eine spürbare politische und militärische Entspannung in Europa. Leider nur für einen begrenzten Zeitraum. Nachdem die sowjetischen Streitkräfte Deutschland verlassen hatten, begannen bereits die Planungen für eine NATO-Osterweiterung. Mit dem Beitritt der neuen Mitglieder Polen, Tschechien und Ungarn im Kalenderjahr 1999 wurde entgegen mündlichen Versprechungen westlicher Politiker Fakten geschaffen. „Frieden schaffen ohne Waffen“ war ein überzeugendes Argument der Wählbarkeit einer Partei. Die Grünen haben leider eine Kehrtwende vollzogen und die Wähler, die sie aufgrund dieser Aussage gewählt haben, verprellt. Das ist undemokratisch und Betrug am Wähler. Das gewichtige Wort „Umweltschutz“ spielt bei den derzeit fürchterlichen Kriegen auf der Welt anscheinend keine Rolle, obwohl wir die globalen Auswirkungen der Klimakrise täglich zu spüren bekommen. Zwei Parteien werben hier in Deutschland offensiv für Verhandlungen mit den Kriegsbeteiligten des Ukrainekrieges. Die jüngsten Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern bestätigen, dass eine nicht unerhebliche Bevölkerungsschicht diese Meinung unterstützt. Demokratisch wäre es, diese Wähler bei künftigen politischen Entscheidungen mit einzubeziehen. Viele Jahre suchten die Politiker nach Lösungsansätzen zur Stabilisierung der Rentenkasse. Wie bereits erwähnt, vertreten die „demokratischen“ Politiker die Meinungen des Volkes und stimmen an ihrer Stelle ab. Dann vertreten sie endlich die Meinung der einzahlungspflichtigen Beitragszahler der Rentenkasse. Alle haben in diese Kasse einzuzahlen. In Österreich wird diese Praxis seit vielen Jahren mit Erfolg gelebt. Das wäre demokratisch und die Politik wird glaubwürdiger.

Udo Sommerer, Rostock, 19.11.2024

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