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Österliche Gedanken

Angeregt wurde ich dazu durch den Leserbrief von Herrn Scheffsky aus Schwerin vom 04.April 2024. In ihm las ich: „Darin liegt der Schlüssel: Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis...“ Anschließend folgte ein Loblied auf die Vergesellschaftung des Eigentums, das mit dem Fazit endet: „Auf dieser Basis ist das Mensch-Sein dem Menschen nur möglich mit und für andere Menschen. Damit schafft er sich die besten freiesten und liebevollsten menschlichsten Verhältnisse für sein eigenes Ego!“ Mit dieser Aneinanderreihung von Superlativen endet der Leserbrief. Genauso habe ich es seinerzeit in der Schule der DDR, im Staatsbürgerkundeunterricht gelernt zum Thema: „Der Sinn des Lebens“. Als Jugendlicher konnte ich mein Unbehagen nicht hinreichend formulieren. Heute weiß ich: Es ist die tiefe Trost-und Hoffnungslosigkeit des dialektischen Materialismus – heute trägt er die Gewänder des Positivismus und Agnostizismus - wenn man ihn beispielsweise konfrontiert mit den Aussagen der Naturwissenschaften über die Unendlichkeit der ‚Materie‘ in Raum und Zeit oder mit den Leiderfahrungen zu allen Zeiten und an allen Orten. Da werden alle diese wohlklingenden Worte wie der sogenannte ‚Klassenstandpunkt‘ oder die ‚einzig wissenschaftliche Weltanschauung‘ des dialektischen und historischen Materialismus zu puren Leerformeln, die dem „Phänomen Mensch“ (Teilhard de Chardin) nicht standzuhalten vermögen. Einzig die Religion hilft hier weiter, indem sie Hoffnung stiftet, ohne die der Mensch nicht menschlich leben kann. Denn: „Alle Religion besteht darin, das Ungenügen an der Natur mit etwas aufzulösen, aus dem alles Dasein, die ganze Natur selber, ihre Ableitung und ihre Berechtigung erfährt.“ (Eugen Drewermann)

Rudolf Hubert, Schwerin, 11.04.2024

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