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"Und wenn sie nicht gestorben sind..."

So enden oft die schönsten Märchen. In letzter Zeit fühle ich mich in meine Kinder- und Jugendzeit versetzt, denn auch dort gab es wundersame Märchenstunden. Die Rede war beispielsweise von einem „antifaschistischen Schutzwall“, der all unsere friedliebenden Bürger beschützen sollte vor dem ‚aggressiven Klassenfeind‘. Komisch war nur, dass der ‚Klassenfeind‘ Pakete mit Bananen und Apfelsinen schickte und wenn wir den armen Ausgebeuteten und Unterdrückten im ‚Westen‘ helfen wollten, hinderte uns…? Richtig, der „antifaschistische Schutzwall“, der seine Menschen so sehr schützte, dass er mit Selbstschussanlagen ausgestattet war. Nur komisch: Diese töteten die eigenen Menschen, nicht den ‚Klassenfeind‘, denn sie waren nach innen gerichtet. Na gut, kann ja mal passieren, oder? Wer ist schon irrtumsfrei? Sieht es heute anders aus? Oder feiern die Märchenerzähler ‚Auferstehung‘? (In der Osterzeit ist dieses Vokabular doch angebracht, nicht wahr?) Da gibt es die Mär von einer „Nato-Osterweiterung“, die es so nie gab. Wohl aber die Angst vor einer aggressiven Großmacht im Osten, die es offensichtlich nie vertrug, dass ihr Einflusssphären abhandengekommen sind. Das hatte ihr ‚Chefdiplomat‘ die Welt undiplomatisch wissen lassen. Leider passt diese Aussage wohl nicht so ganz in die Märchenerzählung. Also wird das Märchen vom Minsker – Abkommen bemüht. Nur um zu verschweigen, dass diesen realpolitischen diplomatischen Bemühungen ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg vorausging gegen die Krim und die Ostukraine. Also muss – wieder einmal - das altbekannte Märchen vom Sicherheitsinteresse Russlands aushelfen. Prekär für die Märchenerzähler ist nur, dass mittlerweile die ganze Welt mitansehen muss, dass der ‚aggressive Westen‘ nicht einmal genügend Munition und Abwehrwaffen bereitzustellen in der Lage ist. Und die schlimmen ‚Eroberungspläne‘ der aggressiven Hauptmacht des ‚Westens‘ scheitern bereits im US-Kongress. So recht passt das alles nicht in unser Märchen, zumal dies Herrn Putin niemals passiert wäre. Der hat eben seinen „industriell-militärischen Komplex“, mit dem man doch so gut Geld verdient, ganz anders im Griff. Doch das Märchen muss irgendwie weitergehen, vielleicht so: Die russischen Bomben auf Odessa, Charkiw, Lwiw, Kiew und andere ukrainische Städte treffen auf keinen Fall die Zivilbevölkerung und die kritische Infrastruktur in der souveränen Ukraine. (Wie furchtbar und störend sind nur diese ‚westlichen Lügen‘!) Die russische Präzisionswaffen werden doch ausschließlich und nur gezielt eingesetzt, um in der „Spezialoperation“ Nazis und Drogendealer auszuschalten. Denn nie ging und geht es der russischen Föderation um etwas anderes als um den Schutz der eigenen Bevölkerung. Wie, die Ukraine gehört nicht dazu?! Der Krieg wäre sofort vorbei, wenn Russlands Truppen vollständig und ohne zeitlichen Verzug ihre Kasernen in der russischen Föderation aufsuchen?! Das sind doch wieder nur ‚westliche Propagandalügen‘, die unsere Märchenstunde stören. Frage: Wird es ein Erwachen aus diesen Märchen geben? Hoffentlich! Und hoffentlich sehen die Trümmer der Gedankengebäude dann nicht so schrecklich aus wie der Schweriner ‚Apachen-Hügel‘, der wie ein sprechendes und warnendes Symbol dasteht.

Rudolf Hubert, Schwerin, 07.04.2024

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