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Warum tun wir so, ...

... als sähen wir es nicht? Dass Russland eine Regionalmacht sei, war sicher nicht das Klügste und Beste, was Präsident Obama 2014 ausgesprochen hat. Trotzdem berührt es einen ganz entscheidenden Punkt. Dass Wladimir Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion als „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet hat, ist hinreichend bekannt. Da ist es nur folgerichtig, wenn er einiges dafür tut, diese Wirklichkeit umzukehren. Man kann dies auch als sein Lebenswerk bezeichnen. Innenpolitisch hat er dafür gesorgt, dass er regieren kann wie ein absolutistischer Herrscher. Eine nennenswerte Opposition gibt es kaum mehr, zu viele haben ihren Einsatz mit Gefängnis oder Tod bezahlt. Soziale Lösungen in diesem riesengroßen und eigentlich reichen Land gibt es nicht, neben sündhaftem Reichtum einiger weniger gibt es eine Armut bei vielen, die wir uns kaum vorstellen können. Dafür ist das Land hochgerüstet, und das ist auch notwendig, um die historische Mission zu erfüllen. Dafür stehen Namen wie Transnistrien, Abchasien, Georgien, Tschetschenien, Belarus. Immer geht es in der Selbstdarstellung natürlich nur um Retten und Beschützen. Dies gilt natürlich ebenso für den Krieg in der Ukraine, der seit 2014 tobt. Auch im syrischen Bürgerkrieg ist die Invasion Russlands ein entscheidendes Moment. Was von Russland an hybrider Kriegsführung ausgeht, ist für viele sicher nur im Ansatz überhaupt vorstellbar. Und trotz all dieser Fakten werden hier in vielen Leserbriefen immer wieder die westlichen Politiker als Kriegstreiber dargestellt und verunglimpft. Trotz all dieser Fakten tut man, als könne man mit ein bisschen Verhandlung etwas bei Putin bewirken. Trotz all dieser Fakten verwendet man die Narrative vom Russland, das vom Westen bedroht wird. Ja der Gedanke scheint fern, wir hätten hier in unserer offenen Gesellschaft eine Freiheit, um die wir tatsächlich fürchten müssen. Dabei wir können jeden Tag Bilder von einem Krieg sehen, der mit jedem Tag brutaler und bestialischer geführt wird. Und es ist eine simple Wahrheit: Wenn Russland den Krieg beendet, ist er vorbei, wenn die Ukraine ihn beendet, dann gibt es sie nicht mehr. Warum tun wir so, als sähen wir es nicht?

Wolfgang Hubert, Scheyern, 01.04.2024

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