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Gefahr für die Demokratie

Die biblische Pilatusfrage: „Was ist Wahrheit?“ ist heute nicht nur ein Slogan in der Parteienwerbung. Sie ist auch verführerisch, weil Einzelpersonen und Gruppierungen vorgeben, die Wahrheit ‚gepachtet zu haben‘. Das ist insofern verführerisch, weil in der seriösen Wissenschaft nicht mit dem Begriff Wahrheit, sondern mit Annahmen und Hypothesen gearbeitet und im Diskurs um die Annäherung an die Wahrheit gerungen wird. Diese Bescheidenheit wünsche ich mir auch in der Politik, zumal es dort fast immer zunächst um Interessen geht. Ich kann gut nachvollziehen, dass es einen großen Unmut gibt bei vielen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, wenn sie erleben, dass das Gros der Steuer- und Abgabenlast der immer mehr erodierenden so genannten ‚Mittelschicht‘ aufgeladen wird. Wenn erlebbar ist, dass beispielsweise bei der Renteneinzahlung als auch bei der Renten- und Pensionsauszahlung erhebliche ‚Klassenunterschiede‘ gemacht werden, wenn Arbeit und nicht das Kapital entsprechen steuerlich belastet wird und wenn sich ganze Schichten an der Solidargemeinschaft nicht in dem Maß beteiligen, wie es ihrem Vermögen (auch im wörtlichen Sinn!) entspricht. Wenn die Politik es versäumt, hierfür die entsprechenden Rahmenbedingungen (endlich!) bereit zu stellen, wird ‚Otto Normalverbraucher‘ sich aufmachen eine ‚Alternative‘ zu suchen. Es ist fast immer Frust und Enttäuschung über die erlebte Ungerechtigkeit, die Menschen veranlasst, nicht oder ‚alternativ‘ zu wählen. Wann endlich erkennt die etablierte Politik, dass hier, in der erlebten Ungerechtigkeit, die eigentliche Gefahr für die Demokratie liegt?

Rudolf Hubert, Schwerin, 12.03.2024

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