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Totales Systemversagen

So schlimm wie Corona auch ist, aber die Pandemie weist uns auf eine Reihe von Defiziten hin. Nach 15 Monaten haben es die Oberen immer noch nicht begriffen, was Sache ist, d.h. dass nur mit einem harten Lock Down bundesweit etwas zu erreichen ist. Da wird wieder philosophiert, ob mit einem Bundesgesetz, mit der Reform des Infektionsschutzgesetzes oder anderem die Kanzlerin durchregieren kann, da ist nach wie vor von Modellregionen die Rede, aber die Zahlen schnellen in die Höhe. Das kostet alles wertvolle Zeit! In dieser konkreten Situation sind der föderale Flickenteppich, wo jeder meint, er weiß es besser, die viel gepriesene Demokratie und die deutsche Bürokratie leider im wahrsten Sinne des Wortes tödlich! Zum Bildungssystem. Die Bildungsministerin von MV braucht für das neue Schuljahr ca. 800 neue Lehrkräfte, bis 2035 fast 7000. Hauptgrund: Es gingen in der Folgezeit sehr viele Lehrer in den (verdienten!) Ruhestand. Nichts gegen Quereinsteiger, nur bringen sie ohne Ausbildung das notwendige Profil mit? Nur nebenbei: Ich habe zu DDR-Zeiten 10 Semester studieren müssen, um die Lehrbefähigung bis zur 12. Klasse zu bekommen! Die Ministerin will Lehrer aus den EU-Staaten holen. Was für mich wichtigste Voraussetzung ist, muss sie erst betonen, denn der einfache Bürger weiß das natürlich nicht: „Zentrale Voraussetzung ist ein hohes Niveau der deutschen Sprache“. Solche Einsichten haben immer erst Gültigkeit, wenn sie von höchster Ebene verkündet werden. Aber bei nicht auszuschließenden Defiziten in dieser Frage sind wieder unsere Schüler die Benachteiligten! Für mich tauchen dabei Fragen auf: 1. Warum brechen so viele Lehramtsstudenten ihr Studium ab? Ist die Uni daran schuld oder sind es die mitgebrachten Voraussetzungen aus dem föderalen Bildungssystem, dass viele Studenten den Anforderungen der Uni nicht genügen können? 2. Sind es die „Erfahrungen“ (Medienberichte, Berichte der Lehrereltern, Erkenntnisse über die Situation an den Schulen u.s.w.), die von einem solchen Studium Abstand nehmen lassen? 3. Und was unternehmen die Länder, um pädagogischen Nachwuchs zu eruieren? Insofern hatte die Planwirtschaft der DDR etwas Gutes: Die Absolventen wurden dorthin gelenkt, wo die Volkswirtschaft sie brauchte, da wurde langfristig berechnet, wann wie viele Lehrer in den Ruhestand gehen, und wir mussten damals keine Lehrer aus dem Ausland oder Quereinsteiger bemühen, um den Unterricht an unseren Schulen fachgerecht abzusichern. Und die Krise macht noch etwas Wichtiges sichtbar: Deutschland hat die Digitalisierung an den Schulen total verschlafen. Als der Bund dafür vor einiger Zeit entsprechende Mittel bereitgestellt hat, empfanden das die Landesfürstinnen und – fürsten als Einmischung in ihre Kultushoheit! Und sollte es am Geld liegen? Die angeblich notwendige Rüstung bzw. die Befriedung der Forderungen von USA und NATO fressen so viel Geld, was bei der Entwicklung der Bildung weitaus besser angelegt wäre, denn es geht um unsere Kinder und Jugendlichen, um unsere Zukunft!

Wolfgang Mengel, Stralsund, 14.04.2021

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