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Weil du nicht arm bist

Antwort auf den Leserbrief "Weil du arm bist, ..." vom 01.11.2025

Wenn ich vormittags zur Arbeit fahre in mein kleines Krankenhaus, dann habe ich manchmal Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden. Ärgerlich! Wenn ich dann allerdings sehe, wie viele Parkplätze hier vorgehalten werden, dann ist mir klar: Ja, mehr geht einfach nicht! Und zugegeben, wenn ich um 10.00 zum Dienst komme als Klinikseelsorger, dann ist das die Hauptgeschäftszeit, da sind alle Mitarbeiter vom Frühdienst da, alle technischen Mitarbeiter, Verwaltung, da arbeiten alle Ambulanzen usw. Zu anderen Zeiten ist die Suche nach einem Parkplatz gar kein Problem. Warum schreibe ich das? Weil ich glaube, dass diese Parkplatzsituation wie ein Bild ist für unser Gesundheitssystem. Ja, es gibt Probleme, und es gibt einfach auch Grenzen. Und auch ich persönlich habe schon Situationen erlebt, die ich als ungerecht empfunden habe. Allerdings dies alles erfahren wir, weil wir immer noch ein Gesundheitssystem haben, in dem und mit dem ganz viel möglich ist und um das uns die meisten Länder der Welt beneiden. Es ist enorm, welche Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie uns heute zur Verfügung stehen, was die Sozialdienste in den Krankenhäusern leisten, welch ein technisches Equipment heute jeder Pflegekraft zur Verfügung steht und auch von ihr beherrscht werden muss. Es ist ebenso enorm, wie ein Großteil der ausländischen Mitarbeiter integriert und fest eingeplant ist. All das macht das hohe Niveau aus, von dem sich nichts in dem banalen Satz widerspiegelt, dass „das Gesundheitssystem krank ist.“ Natürlich ist die Finanzierung ein Problem, und dass darum gestritten wird, ist selbstverständlich. Und dass wir zunehmend die Frage stellen müssen, ob alle Behandlungen in jedem Lebensalter noch sinnvoll gerechtfertigt sind, ist ebenso klar wie die Tatsache, dass es hier nicht darum gehen darf, ob jemand arm oder reich ist. Völlig absurd wird es, wenn das Gesundheitswesen der DDR als Vorbild herhalten muss, weil da „alles geregelt war und funktionierte.“ Das war zwar die offizielle Lehre, die Praxis sah aber ganz anders aus. Im medizinischen und pflegerischen Bereich herrschte dieselbe Mangelwirtschaft wie überall, wenn etwas funktionierte, dann deshalb, weil es engagierte Mitarbeiter in allen Bereichen gab mit viel Kreativität und persönlichem Einsatz. Und wenn die kirchlich geführten Häuser ansonsten doch eher geduldet als geliebt waren, so wurden sie doch von politischen Kadern sehr gern genutzt, wenn man wirklich etwas hatte, denn hier gab es zumindest einen Hauch vom Weststandard.

Wolfgang Hubert, Scheyern, 06.11.2025

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