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< Zurück zur ÜbersichtSchönes Kompliment
Die Zeilen des Leserbriefes von Herrn Gutz sprechen mir aus der Seele. Ich unterschreibe sie zu 100 %. Warum sehen so viele „Wessis“ nicht die Gründe für die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern? Ich selbst bin „Wessi“ und habe bis zum Alter von 70 Jahren in Baden-Württemberg gelebt, dann habe ich mich mit meiner gleichaltrigen Partnerin aufgemacht und bin nach Woldegk in MV gezogen, was einen Aufschrei bei Verwandten und Freunden nach sich zog. „Was wollt ihr denn da?“, „Die sind doch alle so komisch“, „das ist ja der Arsch der Welt…“ etc. etc. All´ das kann ich nicht nachvollziehen. Wir sind hier so herzlich aufgenommen worden, wie wir uns das nie vorgestellt haben. Die Menschen hier empfinde ich als geradliniger als in meinem Herkunftsland. Sie sagen unverblümt, was sie denken, auch wenn sie manchmal damit anecken. Wir haben laufend nette Begegnungen und Gespräche. Es war mir schon immer unverständlich, wie die (west-)deutsche Politik sich wie ein Krake über die DDR gestülpt und alles ausgesaugt hat, was irgendeinen Wert hatte oder zur Konkurrenz werden könnte. Ich hätte es besser gefunden, wenn es zwei deutsche Staaten mit offenen Grenzen gegeben hätte, die sich nach und nach aneinander gewöhnen, um sich dann, vielleicht, einmal unter einer Regierung zu vereinen. Das hätte viel Gutes aus der DDR erhalten können. Aber nun ist es mal so und wir müssen damit zurecht kommen. Vielleicht sollte man eine Lobby der Ostdeutschen in Berlin einrichten, die Aufklärung über die unterschiedlichen, nachkrieglichen Lebensumstände in der Bevölkerung der alten und neuen Bundesländer betreibt. Unsere Freunde und Verwandten in der alten Heimat wissen mittlerweile schon mehr über den „Osten“ als vorher und verstehen uns. Wir sind jetzt seit 3 Jahren hier und fühlen uns sehr wohl. „Jetzt seid ihr auch Ossis“ war ein schönes Kompliment unserer Nachbarn.
Hans-Dieter Eibelshaeuser, Woldegk, 29.10.2025