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Die Welt ist nicht göttlich!

Antwort auf den Leserbrief "Die Welt ist nicht göttlich" vom 12.04.2020

Der Autor dieses Leserbriefes hat in mehrfacher Hinsicht Recht. Die Welt ist wirklich nicht göttlich. Gläubige bezeichnen sie darum aus gutem Grund als Schöpfung. Und, ja, ich kann viele Fragen nicht beantworten, auch nicht diese: „Warum lässt ein gerechter Gott zu, dass solche Krankheiten über die Menschen kommen?“ Um eine Widerlegung des Materialismus ist es mir allerdings nicht zu tun. Wohl aber ist mir evident, wie ungenügend diese Anschauung ist, wenn sie unveräußerliche Rechte und unverlierbare Würde des Menschen begründen soll. Denn wie steht es um den Menschen, der sich auf der Suche nach sich selbst begeben hat? „Er …hatte eigentlich nach aller Tiefenpsychologie und Psychotherapie und aller Existentialphilosophie und aller Anthropologie, in der sich alle Wissenschaften einfanden, um herauszubringen, was eigentlich der Mensch in seinen tiefsten Gründen und Untergründen sei, nur entdeckt, dass in den tiefsten Tiefen seines eigentlichen Wesens… ein unübersehbares, ungeheuerliches Chaos von allem und jedem…ist wie ein sehr zufälliger Schnittpunkt…?“ (Rahner) Nun ist die marxistische Analyse nicht bei der Aufklärung stehengeblieben und hat gemeint, dass der Mensch wesentlich durch die Arbeit zum Menschen wird. So richtig viele Aspekte dieser Sicht auf den Menschen sein mögen, „die Frage kann nicht unterdrückt werden: wer ist schließlich das Subjekt dieses realen, materiellen Prozesses? …der Mensch nicht, der ja aus Not jenen Arbeitsprozess beginnt, der ihn in noch größere Not hineinführt, um ihn erst zuletzt zu erlösen… Weder Gott noch Mensch, sondern die Logik der Sache, des Kapitals, dirigiert die Geschichte.“ (Balthasar) Aus all dem ergibt sich das unabweisbare Erfordernis dessen, was Religion im Wesen (nicht im Unwesen!) meint, weil Menschenwürde und Menschenrechte ein nicht relativierbares Fundament brauchen. Warum ausgerechnet Religion? „Wer, wenn nicht sie könnte den Menschen sagen, dass sie mehr sind als Übergangsgebilde im Stoffwechselhaushalt der Natur, dass sie zu schade sind, um sich als Konsumenten und als Produzenten im Wirtschaftskreislauf dubioser Kapitalverwerter zu verschleißen.“ (Drewermann)

Rudolf Hubert, Schwerin Meckl, 14.04.2020

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