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Rette sich, wer kann!

In Afghanistan haben die Taliban praktisch die Macht übernommen. Auf dem Flughafen in Kabul herrschen chaotische Zustände. Die Möglichkeit der Ausreise von Botschaftspersonal und einheimischen Mitarbeitern hängt nur noch ab von der Bereitschaft der Taliban, dies zuzulassen. Wie konnte es dazu kommen? Noch unter dem Eindruck des 11. September 2001 hatte die Bundesregierung unter Kanzler Schröder nicht den A. in der Hose, den Amerikanern die Unterstützung beim Afghanistan-Abenteuer zu verweigern. Man versicherte den Amerikanern „die uneingeschränkte Solidarität“. Die Erfahrungen der Russen hatten allerdings gezeigt, dass ein Krieg gegen die islamistischen Rebellen (damals als Mudschahedin bezeichnet) nicht zu gewinnen war. Deshalb sollte der als Friedensmission bezeichnete Bundeswehreinsatz auch den Eindruck vermitteln, dass es nur darum ginge, Kindergärten und Schulen einzurichten, Brunnen zu bohren und überhaupt demokratische Verhältnisse nach westlichem Vorbild aufzubauen. Dass es dabei zwangsläufig zu Konflikten mit den Taliban kommen würde, wurde verschwiegen. Erst der wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetretene Minister von und zu Guttenberg beschrieb die Situation der Bundeswehr zutreffend als im Krieg befindlich. Doch die Perspektivlosigkeit des Bundeswehreinsatzes wurde damit keineswegs anerkannt. Noch im Februar dieses Jahres stimmte das Kabinett Merkel einer Verlängerung des Bundeswehreinsatzes bis Ende 2022 zu, obwohl die Lage realistischerweise als unhaltbar eingeschätzt werden musste. 56 Bundeswehrsoldaten haben diesen außenpolitischen Irrweg mit dem Leben bezahlen müssen. Nun ist eingetreten, was vorherzusehen war – das teuer errichtete Kartenhaus ist in sich zusammengefallen.

Hartwig Wischendorf, Schwerin, 16.08.2021

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