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Die gedankliche Krise

Zunächst möchte ich allen Menschen herzlich danken, die sich auf vielfältige Weise einsetzen für ihre Mitmenschen in schwerer Zeit. Was mich allerdings irritiert, sind Meinungen, die im öffentlichen Raum kursieren und die so tun, als ob das alles gar nicht so schlimm sei. Da werden fragwürdige Vergleiche mit Grippewellen bemüht. Andere sehen hinter allem ‚dunkle Mächte‘ am Werk. Was soll man sagen angesichts solcher Äußerungen? Ignoranz scheint mir eigentlich die beste Umgangsweise mit solchen Aussagen zu sein, doch das gelingt nicht immer. Ein Diskurs scheint unmöglich, weil i.d.R. - außer der eigenen Meinung - keine andere zugelassen wird. Vielleicht hilft es, den Mechanismus deutlich zu machen, der hinter solchen Verschwörungstheorien steckt. Nicht nur, dass mancher meint, er weiß eh‘ alles besser und die übrige Welt sei ziemlich naiv und lässt sich verführen von ‚den Medien‘. Und wenn es dann doch etliche Menschen gibt, die z.B. solche Bücher kaufen, kassieren solche Meinungsmacher noch einmal richtig ab, obwohl sie nicht selten den Kapitalismus für all das Elend verantwortlich machen. Mir hilft bei all dem nur eine Einsicht, die ich dem Theologen Karl Rahner verdanke. Denn letztlich geht es um eine einzige Grundfrage: Prägt Grundvertrauen oder Grundmisstrauen mein Weltverhältnis? Karl Rahner sagt es so: „Da ich bin und mir und meiner Freiheit so schon ein Ja vorgegeben ist, scheint mir einerseits mein Ja so selbstverständlich vom Grund der Wirklichkeit her zu sein, dass alle Proteste gegen die eigene Existenz in ihrer ganzen Konkretheit doch nur vorläufige Begleitphänomene eines im Grunde universalen Ja zu sich und dem Ganzen der eigenen Existenz sind." (Aus Karl Rahner „Praxis des Glaubens", S. 21, Herder, Freiburg i.Br. 1982)

Rudolf Hubert, Schwerin Meckl, 01.04.2020

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