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Nord Stream 2

Sensationelle Wendung im Streit um Nord Stream 2: Es ist schon ein sehr eigenartiger Streit, der viel mehr eine Bevormundung zweier souveräner Staaten durch einen Dritten ist. Oder anders gesagt, die Regierungsvertreter der USA beabsichtigen durch Drohungen, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der BRD und Russland zu stören oder zumindest Regelungen zu erzwingen, die ausschließlich im Interesse der USA sind. Nun hat Präsident Biden großzügig versprochen, vorerst auf US-amerikanische Erpressungsandrohungen zu verzichten, wenn sich Deutschland devot genug verhält. Es soll u.a. Russland daran hindern, seine Energiepolitik als Waffe einzusetzen. Hier wird ein Szenario an die Wand gemalt, dass in den Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland noch nie vorgekommen ist und auch nicht zu erwarten ist. Hingegen sind wirtschaftliche Erpressungen der USA ein ständig zu erwartendes Handelsrisiko. Sie nennen es Sanktionen, sozusagen ein Erziehungsmittel. Das führt allerdings zu dem Eindruck, dass unsere Freunde in Übersee als das erscheinen, was sie selbst Russland vorwerfen, sehr unzuverlässige Handelspartner. „Was ich selber denk und tu, das trau ich jedem Andern zu.“ Wenn ich an diesen Spruch denke, wird mir die Angst der USA erklärlich. Schließlich wäre es einfach nicht hinnehmbar, wenn sich Russland ebenso völkerrechtswidrig verhalten würde wie die USA. Es waren doch US-Senatoren, die gezielt dem Hafen Sassnitz mit der Vernichtung seiner Existenz drohten. Man könnte sicher stolz darauf sein, dass anscheinend von diesem kleinen deutschen Hafen eine wirtschaftliche Kraft ausgeht, die die Sicherheit der USA gefährden könnte. Ist Nord Stream 2 nun die moderne Bibelgeschichte von David und Goliath oder doch eher vergleichbar mit einer klassischen Schutzgelderpressung?

Jürgen Barz, Wismar, 29.07.2021

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